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Grenzüberschreitender Formwechsel: OLG Karlsruhe konturiert Formwechselfähigkeit

Entscheidungsbesprechung zu OLG Karlsruhe Beschluss vom 24.4.2024 – 1 W 40/23 (Wx)

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einer Entscheidung vom 24.4.2024 (Az. 1 W 40/23 (Wx)) die Möglichkeiten für grenzüberschreitende Umwandlungen von Gesellschaften präzisiert. Dem Beschluss lag ein Sachverhalt nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRuG) am 01.03.2024 zugrunde. Das Gericht entschied, dass auch Kapitalgesellschaften, die ursprünglich außerhalb der EU und des EWR gegründet wurden, aus einem EU/EWR – Staat im Wege des grenzüberschreitenden Hereinformwechsels das Rechtskleid einer deutschen Gesellschaft annehmen können.

Darstellung des Sachverhalts

Die Beschwerdeführerin war ursprünglich als GmbH nach Schweizer Recht gegründet worden. Im Januar 2023 beschloss die Gesellschafterversammlung die Verlegung des Sitzes nach Luxemburg unter Beibehaltung der Rechtspersönlichkeit.

Wenige Tage später wurde der Zuzug nach Luxemburg und die Annahme der Rechtsform einer luxemburgischen Société à responsabilité limitée (S.à r.l.) beschlossen. Im Februar 2023 erfolgte die Eintragung im luxemburgischen Handelsregister.

Im April 2023 meldete die Gesellschaft beim Amtsgericht Mannheim die Eintragung der Gründung einer deutschen GmbH durch einen identitätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsel nach §§ 333 ff. UmwG an. Das Registergericht wies die Anmeldung zurück mit der Begründung, es handele sich nicht um eine formwechselfähige Gesellschaft im Sinne von § 334 S. 1 UmwG, da sie ursprünglich in der Schweiz und damit nicht in einem EU-/EWR-Staat gegründet worden sei.

Entscheidung des Gerichts

Das OLG Karlsruhe gab der Beschwerde gegen die Zurückweisung statt. Nach Ansicht des Gerichts kommt es für die Fähigkeit zum grenzüberschreitenden Formwechsel nach § 334 S. 1 Nr. 1 UmwG nicht darauf an, ob die Gesellschaft ursprünglich nach dem Recht eines Drittstaates gegründet wurde. Entscheidend sei vielmehr, ob die Gesellschaft zum Zeitpunkt des Formwechsels als nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet anzusehen ist.

Das Gericht führt aus: „Eine Gründung nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des EWR liegt auch dann vor, wenn die in einem Drittstaat gegründete Gesellschaft formwechselnd in einen Rechtsträger eines Mitglieds- bzw. Vertragsstaates umgewandelt wurde und damit als solcher wie eine in dem betreffenden Mitglied- bzw. Vertragsstaat ursprünglich gegründete Gesellschaft besteht.“ (Rn. 13)

Zur Begründung verweist das OLG insbesondere auf die Niederlassungsfreiheit und die Rechtsprechung des EuGH. So habe der EuGH entschieden, dass die Niederlassungsfreiheit „auch den Anspruch einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft auf Umwandlung in eine dem Recht eines anderen Mitgliedstaates unterliegende Gesellschaft umfasst, soweit die Voraussetzungen des Rechts jenes anderen Mitgliedstaats eingehalten sind“ (Rn. 16 unter Verweis auf EuGH, Urt. v. 25.10.2017 – C-106/16, NZG 2017, 1308 – Polbud).

Das OLG stützt seine Entscheidung auch auf eine systematische Auslegung der §§ 333 ff. UmwG. Es betont, dass die Vorschriften ein zweistufiges Anmeldungs- und Prüfungsverfahren vorsehen, bei dem der Wegzugsmitgliedstaat die Voraussetzungen und Formalitäten seiner Rechtsordnung überprüft und eine Vorabbescheinigung ausstellt. Diese Vorabbescheinigung ist für die zuständige Stelle des Zuzugsmitgliedstaates als schlüssiger Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung der geltenden Verfahren und Formalitäten im Wegzugsmitgliedstaat anzuerkennen (Rn. 24). Das Gericht führt weiter aus, dass es nicht mit diesem System vereinbar wäre, wenn das deutsche Registergericht die Eintragung des Hereinformwechsels mit der Begründung ablehnen könnte, dem formwechselnden Rechtsträger fehle die Fähigkeit zum grenzüberschreitenden Formwechsel, weil die Gesellschaft ursprünglich in einem Drittstaat gegründet wurde. Eine solche Prüfung würde komplexe Fragen des nationalen wie internationalen Gesellschaftsrechts des jeweiligen Wegzugsstaates beinhalten und wäre weder notwendig noch praktikabel (Rn. 25).

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Karlsruhe stärkt die Möglichkeiten für grenzüberschreitende Umstrukturierungen von Gesellschaften. Sie erleichtert insbesondere den Zuzug von Gesellschaften nach Deutschland, die ursprünglich in Drittstaaten gegründet wurden.

Für die Praxis bedeutet dies, dass eine im Drittland (etwa in der Schweiz) gegründete Gesellschaft zunächst in einen EU-/EWR-Staat wie Luxemburg nach Maßgabe dessen lokalen Rechts umziehen und anschließend nach Deutschland formwechseln kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Voraussetzungen für den Formwechsel nach dem Recht des jeweiligen Wegzugsstaates eingehalten werden müssen. Dem liegt implizit das Verständnis zugrunde, dass grenzüberschreitende Umwandlungen zwischen EU/EWR-Staaten selbstverständlich möglich sind, auch wenn einer der beteiligten Mitgliedsstaaten (hier: Luxemburg) die Umwandlungsrichtlinie (EU) 2019/2121 noch nicht umgesetzt hat, indes der andere Mitgliedsstaat (hier: Deutschland) die Richtlinie bereits in nationales Recht umgesetzt hat. Auch wenn der Wegzugsstaat keine Formwechselbescheinigung nach Maßgabe der Umwandlungsrichtlinie ausstellen kann, muss der Zuzugsstaat den Nachweis – etwa geführt durch einen Notar – akzeptieren, dass die Voraussetzungen für den Formwechsel nach dem Recht des jeweiligen Wegzugsstaates eingehalten worden sind. Die Begründung des OLG lässt sich auf andere grenzüberschreitende Umwandlungsvorgänge wie Verschmelzungen und Spaltungen übertragen. Unternehmen erhalten damit mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Konzernstrukturen über Landesgrenzen hinweg.

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