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Verlustrücktrag vor Steuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr

Das FG Düsseldorf hat im Rahmen eines Rechtsstreits (9 V 1698/23 A(E, AO)) über die Berücksichtigung eines verbleibenden Verlustrücktrags vor Steuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr entschieden. Das Gericht hatte ernsthafte Zweifel, ob über Grund und Höhe des Verlustrücktrags im Rücktragsjahr erst entschieden werden kann, wenn eine Steuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr durchgeführt worden ist. Der Beschluss des Finanzgerichts stützt sich auch auf zwei Entscheidungen des BFH.

Hintergrund des Beschlusses des Finanzgerichts Düsseldorf vom 08.01.2024 war folgender Streitfall: Die Antragsteller sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie sind Kommanditisten der V. GmbH & Co. KG, an der sie jeweils zu 49,965 % am Vermögen beteiligt sind. Über diese Beteiligung sind die Eheleute (mittelbar) an weiteren Gesellschaften beteiligt, darunter insbesondere an der C. GmbH & Co. KG, deren Geschäftstätigkeit den Betrieb einer Pflegeeinrichtung umfasst. Die C. GmbH& Co. KG ist wiederum selbst an weiteren Gesellschaften in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG beteiligt. Diese Gesellschaften unterhielten bis zum Jahr 2020 mehrere Geschäftsbetriebe, im Wesentlichen ebenfalls Pflegeeinrichtungen („Betriebsgesellschaften“).

Im Jahr 2020 veräußerten die Antragsteller (mittelbar) die zur C. GmbH & Co. KG gehörenden Geschäftsbetriebe im Rahmen einer umfangreich organisierten Unternehmenstransaktion. Weitere Gesellschaften, an denen die Antragsteller (teils unmittelbar, teils mittelbar) beteiligt waren („Besitzgesellschaften“), veräußerten im Jahr 2022 ihren an die Betriebsgesellschaften der C. GmbH & Co. KG verpachteten Grundbesitz und erzielten hierdurch verschiedene Veräußerungsgewinne.

Nachdem die Eheleute ihre Steuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2020 eingereicht hatten, erließ das Finanzamt erklärungsgemäß den Einkommensteuerbescheid 2020. Hiergegen legten die Antragsteller Einspruch ein, weil sie die Berücksichtigung eines verbleibenden Verlustrücktrags aus den Veranlagungszeiträumen 2021 und 2022 begehrten. Sie begründeten dies damit, dass sie in den Jahren 2021 und 2022 negative Beteiligungseinkünfte erzielt hätten, weil die Verwaltungskosten der Betriebs- und Besitzgesellschaften infolge der Veräußerungen höher gewesen seien als die laufenden Einnahmen. Die Antragsteller konnten hierzu betriebswirtschaftliche Auswertungen der Gesellschaften auf den 31.12.2021 und 31.12.2022 sowie eine Aufstellung, über die sich daraus ergebenden Beteiligungseinkünfte vorlegen.

Das Finanzamt gewährte daraufhin – wie von den Antragstellern begehrt – die vollständige Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einkommensteuerbescheids 2020. Einen Monat später entschied das Finanzamt erneut über die AdV, wobei ein Teilbetrag dann nicht mehr ausgesetzt wurde. Als Begründung wurde angeführt, dass der Verlustrücktrag nicht berücksichtigt werden könne, solange nicht die Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume 2021 und 2022 eingereicht worden seien. Die Antragsteller hingegen waren der Meinung, dass es auf die Steuerfestsetzung im Verlustentstehungsjahr nicht ankomme und beriefen sich insbesondere auf die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27.01.2010, IX R 59/08). Demnach ist ein Verlustrücktrag für das Rücktragsjahr selbst dann vorzunehmen, wenn betreffend das Verlustentstehungsjahr bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist – nach Ansicht der Antragsteller müsse dies erst recht gelten, wenn für das Verlustentstehungsjahr noch keine Steuerfestsetzung stattgefunden hat.

Das FG Düsseldorf entschied, dass der Antrag der Eheleute auf Berücksichtigung des Verlustrücktrags nicht nur zulässig ist, sondern auch begründet. Es bestünden ernstliche Zweifel i. S. d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit des mit Einspruch angefochtenen Bescheids. Die Vollziehung des Bescheids sei daher in der beantragten Form und Höhe auszusetzen. Nach § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG sind negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, bei Ehegatten bis zu einem Betrag von 2 Mio. EUR vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen. Soweit ein Ausgleich der negativen Einkünfte nicht möglich ist, sind diese vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem Veranlagungszeitraum vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen (§ 10d Abs. 1 Satz 2 EStG).

Grund und Höhe des im Jahr 2020 zu berücksichtigenden Verlustrücktrags hätten die Antragsteller in tatsächlicher Höhe durch Vorlage umfangreicher Unterlagen mit Kalkulationsgrundlagen sowie die Einreichung von (vorläufigen) Steuererklärungen für die Jahre 2021 und 2022 hinreichend glaubhaft gemacht. Es bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, die gegen die Schlüssigkeit des Verlustrücktrags sprechen würden.

Obwohl es – im Gegensatz zu dem von den Antragstellern vorgebrachten BFH-Urteil – ein weiteres Urteil des BFH gibt (Urteil vom 23.08.2011, IX R 53/05), das für die Auffassung des Finanzamts sprechen könnte, entschied das FG Düsseldorf, dass der Senat über die Frage, ob für die Berücksichtigung eines Verlustrücktrags eine vorherige Steuerfestsetzung im Verlustentstehungsjahr erforderlich ist, nicht abschließend entscheiden müsse. Es genüge, dass gute Gründe dafür bestehen, dass es einer vorherigen Steuerfestsetzung betreffend das Verlustentstehungsjahr nicht bedarf, woraus ernstliche Zweifel i. S. d. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO am angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2020 resultieren.

Im Schrifttum wird die Meinung vertreten, dass dem Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahrs Tatsbestandswirkung für das Rücktragsjahr zukommt. Gleichwohl seien in dem Fall, dass keine Veranlagung für das Verlustentstehungsjahr durchgeführt worden ist und dementsprechend eine Tatbestandswirkung eines Steuerbescheids ausscheide, bei der Veranlagung des Rücktragsjahrs die nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte des Entstehungsjahrs im Rahmen einer Schattenveranlagung zu ermitteln.

Für die Praxis ist die Entscheidung des FG Düsseldorf ein wichtiger Richtungsgeber und kann als Argumentationshilfe dienen, wenn ein Verlustrücktrag in die Vergangenheit ohne bereits vorliegende Steuerfestsetzung für das Verlustentstehungsjahr erfolgen soll.

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