Der BFH hat mit Urteil vom 21.11.2024 (VI R 1/23) entschieden, dass die Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio grundsätzlich nicht nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen (agB) zu berücksichtigen sind, weil sie dem Steuerpflichtigen nicht zwangsläufig erwachsen. Dies gilt auch, wenn ein Arzt die Teilnahme an einem dort angebotenen Funktionstraining angeordnet hat und hierfür die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio erforderlich ist.
Hintergrund:
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, sofern einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Nach der Gesetzesdefinition erwachsen einem Steuerpflichtigen jene Aufwendungen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Steuerermäßigung ist dergestalt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.
Sachverhalt:
Der körperlich beeinträchtigten Klägerin wurde zur Behandlung ihrer zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkungen sowie zur funktionellen Verbesserung und Schmerzreduktion im Streitjahr 2018 von ihrem Arzt ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik verordnet. Die hierfür entstandenen Kosten wurden durch die Krankenkasse der Klägerin übernommen.
Das Training wurde durch die Klägerin zuerst in einem sog. Kneipp Verein durchgeführt. Die Klägerin wechselte zu einem späteren Zeitpunkt jedoch in ein für sie besser erreichbares Fitnessstudio, das ebenfalls für sie günstigere Trainingszeiten anbot. Die Kurse in dem Fitnessstudio wurden von qualifizierten Übungsleitern mit einer gültigen Übungsleiterlizenz für den Rehabilitationssport geleitet. Voraussetzung für die Teilnahme an den Kursen war jedoch, dass die Klägerin sowohl dem Kneipp Verein als auch dem Fitnessstudio als Mitglied beitritt.
Darüber hinaus musste die Klägerin in dem Fitnessstudio ein „Basispaket“ buchen, das z. B. die Nutzung des Schwimmbads für Aqua-Fitnesskurse sowie des Saunabereichs möglich macht. Die hierfür anfallenden Kosten übernahm die Krankenkasse nicht. Die Klägerin machte daher in ihrer Einkommensteuererklärung die Mitgliedsbeiträge, die Kosten für das Basispaket sowie die Fahrtkosten zu den Kursen als agB geltend.
Das Finanzamt erkannte diese Kosten jedoch nicht an. Die hiergegen gerichtete Klage hatte vor dem Niedersächsischen FG teilweise Erfolg (Urteil vom 14.12.2022, Az. 9 K 17/21).
Entscheidung des BFH:
Der BFH wies die Klage hingegen ab und verwies darauf, dass nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten zu berücksichtigen sind, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, eine Krankheit erträglich zu machen.
Das FG habe daher folgerichtig entschieden, dass die Aufwendungen für die Mitgliedschaft im Fitnessstudio und das „Basispaket“ nicht als agB zu berücksichtigen sind, weil die Aufwendungen der Klägerin nicht zwangsläufig entstanden sind. Vielmehr handele es sich um Kosten für vorbeugende oder der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen, die nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienen. Das mit der Mitgliedschaft im Fitnessstudio und dem Basispaket einhergehende Leistungsangebot werde nämlich nicht nur von kranken, sondern auch von gesunden Menschen in Anspruch genommen, um die Gesundheit zu erhalten, das Wohlbefinden zu steigern oder die Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Es handele sich daher um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i. S. d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern vielmehr auf einer freien Willensentscheidung beruht und deshalb den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung nach § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen ist.
Nach der Urteilsbegründung des BFH sind die Aufwendungen der Klägerin auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten und das Basispaket buchen musste, um an dem medizinisch indizierten Funktionstraining teilnehmen zu können. Die Entscheidung, einem Fitnessstudio aufgrund eines ärztlich verordneten Funktionstrainings beizutreten, sei vielmehr Ausdruck eines frei gewählten Konsumverhaltens. Aus diesem Grund könnten weder die „Verknüpfung“ von Mitgliedschaft im Fitnessstudio, Zusatzmodul und Funktionstraining noch die von der Klägerin vorgebrachten Praktikabilitätsgründe (Fahrt- und Kostenersparnis, Kurse auch unter der Woche, Nachholung ausgefallener Kurse) eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit begründen.
Weiterhin stehe dem Abzug der Kosten als agB der Umstand entgegen, dass die Klägerin hierdurch die Möglichkeit erhält, das dahingehende Leistungsangebot auch jenseits der medizinisch indizierten Funktionstrainings, z. B. die Nutzung der Sauna, wahrzunehmen. Dies gelte auch dann, wenn die Klägerin von diesen Möglichkeiten tatsächlich keinen Gebrauch gemacht hat.