Die jüngsten Entwicklungen an den internationalen Kapitalmärkten, geprägt durch erhöhte Volatilität, Handelskonflikte und geopolitische Spannungen, haben signifikante Auswirkungen auf deutsche Staatsanleihen und könnten sich mittelbar auch auf den Basiszinssatz nach IDW S 1 auswirken. Dies tangiert zahlreiche bewertungsrelevante Fragestellungen.
Die im Laufe der vergangenen Woche von der US-Regierung angekündigten Zollmaßnahmen führten zu massiven Turbulenzen an den Kapitalmärkten. Die beobachtbaren Kurschwankungen zeigen deutlich, mit welcher Dynamik die Preisbildung auf den internationalen Kapitalmärkten auf unerwartete Ereignisse reagiert. Beobachtbare Kapitalmarktdaten dienen auch zur Herleitung des für Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 verwendeten Basiszinssatzes. In der Folge haben Entwicklungen an den Kapitalmärkten mittelbare Konsequenzen auf den Kapitalisierungszinssatz bei Unternehmensbewertungen und in der Folge auch auf Unternehmenswerte.
Die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes erfolgt im Rahmen von Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 durch das Capital Asset Pricing Modell (CAPM). Ein Parameter des CAPM ist der risikolose Basiszinssatz. Bei der Ermittlung des (risikolosen) Basiszinssatzes soll keinerlei Risiko in Hinblick auf das Ausfall-, Termin- und Währungsrisiko bestehen. Aus diesem Grund wird in der Praxis zur Ermittlung des Basiszinssatzes auf Zerobond-Zinssätze für Staatsanleihen zurückgegriffen. Deutsche Staatsanleihen, insbesondere zehnjährige Bundesanleihen, gelten traditionell als risikoloser Benchmark und damit als zentrale Referenzgröße für den Basiszinssatz nach IDW S 1, der wiederum als Diskontierungszinssatz für Unternehmensbewertungen nach IDW S 1 dient.
Unabhängig davon erfreuen sich Bundesanleihen gerade in Krisenzeiten als klassische risikoarme Investitionsmöglichkeit traditionell großer Beliebtheit. Gestiegene Volatilitäten an den Aktienmärkten veranlassen Anleger, einen Teil ihres Kapitals in risikoarme, sichere Anlagen umzuschichten. Hierbei spielen die deutschen Staatsanleihen aufgrund der hohen Bonität eine bedeutende Rolle. Daher kann aktuell ein Anstieg der Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen erwartet werden. Dies könnte zu steigenden Anleihen-Kursen und damit einhergehend zu einer sinkenden Verzinsung der gehandelten Staatsanleihen führen.
Bisher war jedoch in den vergangenen Monaten eine noch gegenteilige Entwicklung zu beobachten. Hintergrund für die sich nun ggf. verändernde Entwicklung hin zu einem steigenden Niveau des Basiszinssatzes ist eine Neuausrichtung der Fiskalpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Das jüngst angekündigte Sondervermögen der Bundesregierung mit erheblichen Ausgaben in den Bereichen Verteidigung und Energieinfrastruktur erfordert ein erhöhtes Emissionsvolumen an Bundesanleihen. Das größere Angebot an deutschen Staatsanleihen dürfte es schwieriger machen, zu den bis dato gebotenen Zinssätzen Käufer zu finden. Der Bund als Schuldner muss daher einen höheren Risikoaufschlag bieten, damit Investoren das größere Angebot von deutschen Staatsanleihen aufkaufen. Der vorstehend aufgezeigte Zusammenhang ist auch empirisch beobachtbar. So kam es im März 2025 zu einem deutlichen Anstieg der Renditen auf Bundesanleihen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen erreichte zeitweise Werte nahe 3 % und damit ein Niveau, das seit der Finanzkrise in den Jahren 2008 bzw. 2009 nicht mehr erreicht wurde.
Diese Renditesteigerungen spiegeln sich mittelfristig im Basiszinssatz nach IDW S 1 wider. Da der Basiszinssatz nach IDW S 1 auf einem geglätteten Durchschnitt basiert, reagiert dieser auf kurzfristige Schwankungen verzögert, zeigt jedoch einen klaren Aufwärtstrend. So lag der Basiszinssatz nach IDW S 1 zum 1. April 2025 gerundet bei 2,75 %. Damit liegt der Basiszinssatz erstmals seit Januar 2024, d. h. erstmals seit über einem Jahr wieder bei 2,75 %. Der ungerundete Wert betrug zum 1. April 2025 2,79 % und ist seitdem sogar noch angestiegen.
Es bleibt abzuwarten, welcher der beiden sich im Moment überlagernden Effekte im weiteren Verlauf des Jahres 2025 den größeren Einfluss auf die Entwicklung des risikolosen Basiszinssatzes haben wird. Grundlegend ist dabei entscheidend, ob sich die Nachfrage nach Staatsanleihen durch die derzeit sehr hohe Volatilität an den Kapitalmärkten tatsächlich erhöht und so die aktuell beobachtbaren hohen Anleihen-Zinssätze wieder sinken. Die Marktentwicklung für Staatsanleihen hängt dabei vor allem von der tatsächlichen Risikowahrnehmung der Anleger ab. Andernfalls könnten die Renditen für Staatsanleihen weiter ansteigen.
Für Unternehmen würde ein weiteres Ansteigen des risikolosen Basiszinssatzes steigende Kapitalkosten zur Folge haben. Höhere Kapitalkosten und Diskontierungszinssätze führen bei der Unternehmensbewertungen tendenziell und bei ansonsten unveränderten Annahmen zu niedrigeren Unternehmenswerten. Dies betrifft insbesondere kapitalintensive Branchen und Unternehmen mit langfristigen Investitionsvorhaben. Auch im Rahmen der Bilanzierung nach HGB oder IFRS, etwa bei der Bewertung von Pensionsverpflichtungen, entfaltet ein steigendes Zinsniveau eine erhebliche Wirkung.
Bei einer künftigen Aufwärtsbewegung des bewertungsrelevanten Basiszinssatzes würde die angespannte Situation hinsichtlich des Abwertungspotentials von Beteiligungen und Goodwills wieder verschärft. Insgesamt bleiben neben der Verzinsung der deutschen Staatsanleihen die Entwicklung der EZB-Leitzinsen sowie der Inflation abzuwarten; beide Sachverhalte dürften ebenfalls Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Basiszinssatzes im Jahr 2025 haben.