Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem Urteil klargestellt, dass die Kapitalertragsteuer, die auf einen überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfällt, ausschließlich durch einen Haftungsbescheid geltend gemacht werden kann. Nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG ist der Erlass eines solchen Haftungsbescheids zwingend erforderlich, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine Kapitalgesellschaft in gemeinsamer Trägerschaft zweier Bundesländer (jeweils zu 50 % beteiligt), beschloss am 30. August 2006 eine Gewinnausschüttung über 41.846.000 €, die jeweils hälftig auf die Gesellschafter aufgeteilt wurde. Zum Stichtag 31. Dezember 2005 wurde nach § 27 Abs. 1 KStG kein ausschüttungsfähiger Gewinn festgestellt. Daher wurde die Ausschüttung vollständig aus dem steuerlichen Einlagekonto entnommen, das um den entsprechenden Betrag reduziert wurde. Die Gesellschafter erhielten Steuerbescheinigungen, die ihnen Leistungen aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von jeweils 20.923.000 € bestätigten.
Eine nachfolgende steuerliche Außenprüfung ergab jedoch, dass zum 31. Dezember 2005 ein ausschüttbarer Gewinn in Höhe von 12.467.801 € vorhanden war und somit das steuerliche Einlagekonto tatsächlich nur um 29.378.19 € hätte gemindert werden dürfen. Dadurch ergab sich eine Kapitalertragsteuer (KapESt) in Höhe von 1.246.780,10 €, die das Finanzamt im Nachforderungsbescheid vom 23. Juli 2013 gegenüber der Klägerin geltend machte.
Diese Haftung stützte sich auf § 27 Abs. 5 KStG i. d. F. des SEStEG und bezog sich auf die überhöht ausgewiesene Einlagenrückgewähr. Da das SEStEG bereits für das gesamte Veranlagungsjahr 2006 galt, wurde die Kapitalgesellschaft für die zu viel ausgewiesenen Beträge haftbar gemacht.
Die Klägerin argumentierte im Einspruchsverfahren, dass es sich um eine unzulässige echte Rückwirkung handele, da der Gewinnausschüttungsbeschluss vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 12. Dezember 2006 erfolgt sei. Ihr Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht hatten keinen Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH gab der Revision der Klägerin statt und hob die Entscheidung der Vorinstanz auf (Vorinstanzliches Urteil: FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 18.06.2020 – 10 K 5250/16).
Das Finanzgericht hatte zu Unrecht angenommen, dass die Voraussetzungen des § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG erfüllt seien. Konkret stellte der BFH fest, dass das Finanzamt den Nachforderungsbescheid nicht ordnungsgemäß als Haftungsbescheid erlassen hatte, obwohl dies nach § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG zwingend erforderlich gewesen wäre.
Die Regelungen zu Höhe und Bindungswirkung des Einlagekontos bei überhöht ausgewiesenen Einlagenrückgewährbeträgen (§ 27 Abs. 1 und Abs. 5 KStG) sind einzuhalten. Der Haftungsbescheid muss insbesondere erkennen lassen, dass der Adressat als Haftender für eine fremde Schuld in Anspruch genommen wird (§ 119 Abs. 1 AO).
Fazit
Der BFH unterstreicht, dass bei einer unzutreffend bescheinigten Einlagenrückgewähr ausschließlich ein ordnungsgemäß erlassener Haftungsbescheid die Grundlage für eine Inanspruchnahme darstellen kann. Das Urteil verdeutlicht zudem die verschuldensunabhängige Haftung des Ausstellers der Bescheinigung gemäß § 27 Abs. 5 Satz 4 KStG.