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Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Unter­nehmensbe­wertungen

Mit dem Beginn kriegerischer Handlungen seitens Russland in der Ukraine am 24.02.2022 ergaben sich unmittelbar auch Konsequenzen für die globale Wirtschaft. An den Finanzmärkten verloren zahlreiche Aktienkurse innerhalb kurzer Zeit massiv an Wert. Durch die gegenüber Russland verhängten Sanktionen ergaben sich zudem auch für die Realwirtschaft einschneidende und langfristige Folgen. Mit dem aktuellen fachlichen Hinweis vom 20.03.2022 nimmt der FAUB des IDW Stellung zu den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf Unternehmensbewertungen.

Der seit dem 24.02.2022 andauernde Krieg Russlands gegen die Ukraine stellt in vielerlei Hinsicht ein einschneidendes globales Ereignis dar, welches auch mittelbare und unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaft hat. Direkt nach dem Beginn der kriegerischen Handlungen brachen auf den internationalen Finanzmärkten Börsenkurse teilweise erdrutschartig ein. Der Handel an der Börse in Moskau wurde sogar zwischenzeitlich komplett ausgesetzt. Neben den Finanzmärkten trifft der Krieg in der Ukraine auch die Realwirtschaft massiv und nachhaltig. Im Zuge der gegenüber Russland international verhängten Sanktionen brachen bspw. abrupt Lieferketten zusammen und Unternehmen beendeten ihre Geschäftstätigkeiten in Russland. Insgesamt führt der Ukraine-Krieg zu einem starken Anstieg (wirtschaftlicher) Unsicherheiten, deren Weiterentwicklung und Ende nicht eingeschätzt werden können. 

Der FAUB des IDW hat mit dem fachlichen Hinweis „Auswirkungen von Russlands Krieg gegen die Ukraine auf Unternehmensbewertungen“ vom 20.03.2022 dazu Stellung genommen, welche Konsequenzen der Ukraine-Krieg für Unternehmensbewertungen und Bewertungsfragen hat.

Zunächst stellt der FAUB des IDW im fachlichen Hinweis vom 20.03.2022 klar, dass die nach fundamentalanalytischen Bewertungsmethoden ermittelten Zukunftserfolgswerte von Unternehmen und Unternehmensanteilen von den Aktienkursen börsennotierter Gesellschaften zu unterscheiden sind. Für die Ermittlung des Zukunftserfolgswerts sind neben den kurzfristigen Implikationen, insbesondere auch die mittel- und langfristigen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs von zentraler Bedeutung. Ein abruptes (kurzfristiges) Absinken des Börsenkurses einer Gesellschaft hat in der Folge noch nicht zwangsläufig einen Effekt auf den Zukunftserfolgswert des betreffenden Unternehmens.

Der FAUB des IDW weist ferner darauf hin, dass Unternehmenswerte stichtagsbezogen zu ermitteln sind. Die Erwartungen über die künftigen finanziellen Überschüsse sowohl des Bewertungsobjekts als auch der bestmöglichen Alternativinvestition hängen von dem Umfang der im Zeitablauf zufließenden Informationen ab. Bei Auseinanderfallen des Bewertungsstichtags und des Zeitpunkts der Durchführung der Bewertung ist daher nur der Informationsstand zu berücksichtigen, der bei angemessener Sorgfalt zum Bewertungsstichtag hätte erlangt werden können.

Bei Stichtagen bis einschließlich 23.02.2022, d.h. einen Tag vor Beginn der kriegerischen Handlungen in Russland, sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen. Diese Sichtweise folgt auch der vom BGH entwickelten und unverändert für Bewertungszwecke gültigen sogenannten Wurzeltheorie, die besagt, dass allein solche Sachverhalte bei der Bewertung zu berücksichtigen sind, die am Bewertungsstichtag bereits in der Wurzel angelegt und damit als bewertungsrelevant anzusehen sind. Insofern hat bei Bewertungen mit Stichtagen bis einschließlich 23.02.2022 keine Berücksichtigung des Ukraine-Kriegs für Bewertungszwecke zu erfolgen. Allerdings ist in Bewertungsgutachten darauf hinzuweisen, dass die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs nicht berücksichtigt wurden.

Wesentlich komplexer stellt sich die Situation für Stichtage ab dem 24.02.2022 dar. Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sind bei Bewertungsstichtagen ab dem 24.02.2022 einzelfallspezifisch zu analysieren. Dabei ist zu untersuchen, ob und wie sich der Ukraine-Krieg auf die Ertragslage des konkreten Bewertungsobjekts auswirkt. Eine Ausgangsbasis für die Abschätzung der Auswirkungen können individuelle, aber auch global beobachtbare Effekte sein.

Zu analysieren ist im Rahmen von Unternehmensbewertungen mit Stichtagen ab dem 24.02.2022, ob das Bewertungsobjekt unmittelbar mit Russland und/oder der Ukraine Geschäftsbeziehungen unterhält bzw. sich in den Ländern Produktionsstätten und/oder Beteiligungen befinden. Sollte dies der Fall sein, dann ist unter anderem zu analysieren, inwiefern Einschränkungen aufgrund von Produktions- und Lieferausfällen bestehen und ggf. eingeschränkte Dividendenausschüttungsmöglichkeiten oder sogar Enteignungen drohen.

In den Fällen, in denen das Bewertungsobjekt keine unmittelbaren Verbindungen mit der Ukraine und Russland hat, sind dennoch mittelbare Auswirkungen zu analysieren, die sich unter anderem in steigenden Rohstoff- und Energiepreisen, Zins- und Wechselkursschwankungen und einem sich ändernden Konsumentenverhalten manifestieren können.

Trotz des ungewissen Ausgangs des Ukraine-Kriegs ist bezogen auf die Langfristperspektive im Einzelfall zu analysieren, ob und inwieweit Pläne und Geschäftsmodelle aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg zukünftig überhaupt noch zugrunde gelegt werden können. Den erhöhten Unsicherheiten sollte dem FAUB des IDW folgend durch Szenario-Analysen begegnet werden.

Bezogen auf die Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes sieht der FAUB des IDW keinen Anlass, aufgrund des Ukraine-Kriegs von der generellen und bisher angewandten Methodik abzuweichen. Da sich der Kapitalisierungszinssatz an langfristigen Analysen von durchschnittlichen Marktrenditen orientiert, erachtet der FAUB des IDW es als sachgerecht, die Marktrisikoprämie vor persönlichen Steuern auch in der gegenwärtigen Situation in einer Bandbreite zwischen 6,0 % und 8,0 % anzusetzen. Pauschale Zuschläge beim Kapitalisierungszinssatz lehnt der FAUB des IDW ab. Die gestiegenen Unsicherheiten aufgrund des Ukraine-Krieges sind in der Planung der finanziellen Überschüsse abzubilden.

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