Der hohe Anstieg des allgemeinen Zinsniveaus prägt bislang das noch laufende Jahr 2022. Besonders spürbar ist der Anstieg beim risikolosen Basiszinssatz nach IDW S 1. Zum 31.12.2021 betrug der risikolose Basiszinssatz noch gerundet 0,10 %. Aktuell (Mitte November 2022) beträgt der risikolose Basiszinssatz gerundet 2,00 %. Hervorzuheben ist, dass die Wachstumsdynamik weiterhin sehr hoch ist und im vierten Quartal 2022 wieder zugenommen hat. Zum Jahresende 2022 könnte sich der Basiszinssatz noch einmal deutlich erhöhen im Vergleich zum jetzigen Stand.
Es zeichnet sich ab, dass Unternehmen bereits beim aktuellen Zinsniveau spürbare negative Effekte in ihren Jahres- und Konzernabschlüssen zu verzeichnen haben, die ausschließlich auf das hohe Zinsniveau zurückzuführen sind. Insbesondere im Zusammenhang mit vorbereitenden Maßnahmen für den einmal jährlich durchzuführenden Goodwill-Impairment Test nach IAS 36 stellen Unternehmen flächendeckend fest, dass ein Abwertungspotenzial droht, weil den steigenden Zinsen keine entsprechend steigenden Cashflows folgen. Gleiches gilt für die Bewertung von Geschäfts- oder Firmenwerten nach HGB sowie für Beteiligungen.
Der risikolose Basiszinssatz nach IDW S 1 ist ein zentraler Bestandteil der Kapitalkosten. Erhöhungen beim Basiszinssatz wirken sich daher unmittelbar beim Kapitalisierungszinssatz aus. Zum 31.12.2021 lag der risikolose Basiszinssatz noch bei gerundet 0,10 %. Bei zahlreichen Werthaltigkeitsprüfungen zum 31.12.2021 floss in der Folge der Basiszinssatz in genau dieser Höhe von 0,10 % in die Kapitalkosten ein. Derzeit beläuft sich der risikolose Basiszinssatz auf 2,00 %. Nachdem der Basiszinssatz in den Monaten Juli, August und September 2022 gerundet jeweils zum Monatsende bei 1,50 % lag, hat sich im Oktober und November 2022 die Wachstumsdynamik beim Zinssatz wieder deutlich erhöht. Zum 31.10.2022 stieg der Basiszinssatz auf gerundet 1,75 % weiter an.
Durch die aktuell vorzunehmende Rundung des Basiszinssatzes auf 1/4-Prozentpunkte ist nicht direkt ersichtlich, mit welcher Dynamik sich das Zinsniveau nach oben entwickelt. Betrachtet man den Verlauf des ungerundeten Basiszinssatzes im Jahr 2022, dann zeigt sich, dass die Wachstumsraten in den einzelnen Monaten sehr unterschiedlich waren. Im ersten Quartal 2022 stieg der ungerundete Basiszinssatz monatlich jeweils um durchschnittlich rd. 0,10 Prozentpunkte an, im zweiten Quartal stieg die Wachstumsrate und der ungerundete Basiszinssatz monatlich jeweils um durchschnittlich rd. 0,30 Prozentpunkte. Im dritten Quartal 2022 schien es so als würde sich das Wachstum wieder abflachen. Im dritten Quartal 2022 stieg der ungerundete Basiszinssatz monatlich jeweils um durchschnittlich rd. 0,08 Prozentpunkte an.
Momentan ist zu beobachten, dass der Zinsanstieg zum Jahresendspurt wieder deutlich an Dynamik hinzugewonnen hat. Seit dem 01.10.2022 hat sich der gerundete Basiszinssatz wöchentlich jeweils um ca. 0,07 Prozentpunkte erhöht. In den Monaten Juli bis September hat es durchschnittlich vier Wochen gedauert, bis ein derartiges Wachstum verzeichnet werden konnte. Zwischenzeitlich hat sich im vierten Quartal 2022 die Geschwindigkeit des Wachstums deutlich erhöht. Ein weiteres Ansteigen des bewertungsrelevanten Basiszinssatzes bis zum 31.12.2022 ist daher wahrscheinlich.
Sollte die derzeit beobachtbare Dynamik weiter bis zum Jahresende anhalten, dann würde der risikolose Basiszinssatz auf gerundet 2,50 % steigen. Die Kapitalkosten der Unternehmen sind dann flächendeckend deutlich höher als noch zum 31.12.2021.
Zum Vergleich: Bei einem risikolosen Basiszinssatz von 0,10 % zum 31.12.2021 und einem unterstellten Betafaktor von 1,00 sowie einer Marktrisikoprämie von 7,00 % betrugen die Eigenkapitalkosten zum 31.12.2021 7,10 %. Bei ansonsten unveränderten Annahmen könnten die Eigenkapitalkosten in dem Beispiel allein aufgrund des höheren Basiszinssatzes auf 9,50 % ansteigen. Bei einem nachhaltig unterstellten Cashflow von EUR 1,0 Mio. p.a. ergab sich zum 31.12.2021 bei einem Zinssatz von 7,10 % ein (Unternehmens-)Wert von EUR 14,08 Mio. Bei Eigenkapitalkosten von 9,50 % zum 31.12.2022 würde sich der (Unternehmens-)Wert bei ansonsten unveränderten Annahmen auf EUR 10,53 Mio. um mehr als ein Viertel reduzieren!
Wichtig ist, dass Unternehmen das aktuelle Zinsniveau genau beobachten, damit rechtzeitig Maßnahmen eingeleitet werden können, um dem steigenden Zinsniveau zu begegnen. Zudem sollten Auswirkungen des Zinsniveaus auf Bewertungen rechtzeitig erkannt und analysiert werden, um „böse Überraschungen“ zum Jahresende möglichst vermeiden zu können. Allerdings steht bereits jetzt fest, dass durch das deutliche Ansteigen des bewertungsrelevanten Zinsniveaus in 2022 die aktivierten Firmenwerte und Beteiligungen zum 31.12.2022 deutlich unter Druck geraten hinsichtlich der Beurteilung ihrer Werthaltigkeit und insofern ein deutlich erhöhtes Abschreibungsrisiko droht.