Die Weltwirtschaft steht vor einer Reihe von Herausforderungen, die auch das Jahr 2023 prägen werden. Die Inflation ist so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Russlands Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 und die anhaltende COVID-19-Pandemie belasten die wirtschaftlichen Aussichten zusätzlich. Flankiert werden die bestehenden Krisen von zunehmenden Erwartungen der Marktteilnehmer einer Rezession in Deutschland. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland und Europa im Jahr 2023 entspannen wird.
Seit Anfang des Jahres 2021 steigt die Inflationsrate rasant an. Im Jahr 2022 erreichte die Inflationsrate ein bisheriges Rekordniveau im vereinten Deutschland von 10,4 % im Oktober 2022. Damit stieg die Rate im Oktober 2022 um 0,4 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat (September: +10,0 %). Für November 2022 schätzt das Statistische Bundesamt einen Rückgang um 0,4 Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat. Diese hohe Inflationsrate wurde besonders beeinflusst durch Lieferengpässe, dem deutlichen Preisanstieg über alle Wertschöpfungsstufen hinweg und den zunehmenden Preisen für Mineralölprodukte und andere energieerzeugende Rohstoffe, die durch den Krieg in der Ukraine weiter verstärkt werden.
Der EZB-Rat geht davon aus, dass die Inflation wieder sinkt, wenn die derzeitigen Inflationstreiber mit der Zeit nachlassen und die Normalisierung der Geldpolitik auf die Wirtschaft und die Preisbildung durchschlägt. Problematisch wird jedoch, die Inflation allein mit geldpolitischen Instrumenten der EZB in den Griff zu bekommen. Derzeit rechnet die EZB mit durchschnittlichen Inflationsraten von 8,1 % für 2022, 5,5 % für 2023 und 2,3 % für 2024.
Die Folgewirkungen der Inflation werden auch bei den Leitzinsen der EZB deutlich. Seit dem 02.11.2022 gilt für den Euroraum ein Leitzins von 2,0 % (Hauptrefinanzierungsgeschäft), der höchste Leitzins seit Februar 2009. Auf Grundlagen der aktuellen Einschätzungen des EZB-Rats sind weitere Anhebungen vor dem Hintergrund der hohen Inflation nicht ausgeschlossen. Marktakteure sehen noch zum Ende des Jahres 2022 einen Leitzins bei 2,5 %, was einen weiteren Zinsschritt von 0,5 Prozentpunkten bei der nächsten Sitzung des EZB-Rates am 15.12.2022 bedeuten würde. Auch bei dem für die Unternehmensbewertung relevanten Basiszinssatz lassen sich ähnliche Veränderungen feststellen. In Deutschland hat sich der relevante risikolose Basiszinssatz auf 1/10-Prozentpunkte gerundet allein im Jahr 2022 bisher verzwanzigfacht. Zum 01.01.2022 lag der risikolose Basiszinssatz noch bei 0,1 %, zum 01.12.2022 stieg dieser auf 2,0 % an. Im Dezember 2022 ist wieder ein leicht rückläufiges Basiszinsniveau zu beobachten. Eine mögliche Ursache für den Rückgang des Basiszinssatzes könnte sein, dass die Marktteilnehmer die Effekte der hohen Inflationsraten bereits eingepreist haben und zwischenzeitlich die drohenden Auswirkungen einer möglichen Rezession in Deutschland und dem gesamten Euroraum die Renditen für Staatsanleihen belasten.
Trotz des Krieges in der Ukraine und der drastisch gestiegenen Energiepreise hat sich die deutsche Wirtschaft in den ersten drei Quartalen 2022 als widerstandsfähig erwiesen. Das BIP ist im dritten Quartal 2022 preis-, saison- und kalenderbereinigt gegenüber dem zweiten Quartal 2022 um 0,4 % gestiegen. Für das vierte Quartal 2022 rechnet das Statistische Bundesamt, dass kein tiefer Einbruch der deutschen Wirtschaft zu erwarten ist. Die konjunkturelle Stimmung in Deutschland ist hingegen trotz des leichten Wirtschaftswachstums insgesamt pessimistisch. Der Energiepreisschock infolge der Reduzierung der russischen Gaslieferungen kam immer mehr in der Breite der deutschen Volkswirtschaft an und sorgte unter anderem dafür, dass viele Produktionsprozesse unrentabel wurden und die Nachfrage zurückging.
Insgesamt wird die deutsche Wirtschaft weiterhin durch die steigende Inflation, die anhaltenden hohen Energiepreise und die damit verbundenen Kaufkraftverluste belastet. Sowohl die Geschäftserwartungen der Unternehmen als auch das Konsumklima liegen nach wie vor auf Tiefständen. Das Ifo-Institut erwartet im kommenden Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,3 % im Vergleich zum Jahr 2022, die Bundesregierung rechnet mit einem Rückgang von 0,4 %.
Unternehmen sollten sich darauf einstellen, dass für das Jahr 2023 die Folgen der aktuellen Krisen in einer Rezession münden könnten und insgesamt ein Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung eintreten könnte. Insbesondere bei der Erstellung von Budgets respektive Planungsrechnungen, bspw. für Zwecke von Unternehmensbewertungen oder auch bei der Erstellung von Fortführungsprognosen im Zusammenhang mit Abschlussprüfungen für zum 31.12.2022 endende Geschäftsjahre, muss den allgemeinen wirtschaftlichen Aussichten für das anstehende Geschäftsjahr 2023 Rechnung getragen werden.