Das OLG Frankfurt a. M. hat sich in seinem Beschluss vom 09.02.2024 (21 W 129/22) mit der Schätzungsgrundlage für eine angemessene Abfindung nach einem verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out befasst. Das Urteil erläutert, wann eine Schätzung anhand des Börsenkurses sachgerecht erscheint und wann zusätzlich der Ertragswert als Hilfswert hinzugezogen werden muss.
Vor dem LG Frankfurt/M. hatten mehrere Minderheitsaktionäre ein Spruchverfahren gegen die Höhe der Abfindung im Zusammenhang mit einem Squeeze-out angestrengt. Von der Hauptversammlung wurde eine Abfindung in Höhe des aktuellen Börsenkurses gewährt. In erster Instanz folgte das Gericht der Argumentation der Antragsgegnerin, dass die Abfindung auf Grundlage des Börsenkurses angemessen sei. In Folge wurde der Antrag vom LG Frankfurt/M. abgelehnt, worauf die Antragssteller in Revision gingen.
In zweiter Instanz bestätigte das OLG Frankfurt/M. in seinem Beschluss vom 09.02.2024 (21 W 129/22) das Urteil des Landgerichts.
Die Richter des OLG wiesen die Beschwerde als unbegründet zurück. Eine Abfindung anhand des Börsenkurses sei angemessen. Damit folgte das Gericht einer Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 2023, wonach der Börsenkurs eine geeignete Schätzungsgrundlage bei Strukturmaßnahmen sein kann (BGH v. 21.02.2023, II ZB 12/21). Dabei muss die Eignung des Börsenkurses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls geprüft werden. Vor allem Informationsdefizite, Kursmanipulation oder eine Marktenge stellen die Eignung des Börsenkurses infrage. Ein Mindesthandelsumsatz pro Tag ist hingegen nicht erforderlich. Bei Zweifeln über die Geeignetheit des Börsenkurses ist der Ertragswert als Hilfe hinzuzuziehen.
Zwar ist bei einem Squeeze-out eine Schätzung der angemessenen Abfindung auf Grundlage des Börsenwerts eher ungeeignet; dies liegt an dem meist hohen Mindestquorum verbunden mit einer Marktenge. Trotzdem kann der Börsenwert taugliche Schätzungsgrundlage sein, wenn bestimmte Umstände im Einzelfall unproblematisch sind.
Im konkreten Fall änderte sich der Börsenwert des Unternehmens zwar nach Bekanntwerden des Übernahmeangebots; und dies hatte zur Folge, dass der Börsenwert nicht mehr den inneren Wert der Gesellschaft abbildete. Die Richter des OLG hielten dies im konkreten Fall jedoch für unproblematisch. Eine Bestimmung des Börsenkurses durch das Übernahmeangebot sei grundsätzlich möglich, wenn der Markt den inneren Wert der Aktie niedriger einschätzt als den Angebotspreis. Zudem bestand weder eine Marktenge, noch sei der Börsenkurs missbräuchlich genutzt worden. Die Verwendung des Börsenkurses als Schätzungsgrundlage sei somit in dem vom OLG Frankfurt/M. zu beurteilenden Sachverhalt unproblematisch gewesen.
In einem anderen Fall lehnte das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 28.11.2022, 26 W 4/21; vgl. https://www.kleeberg.de/2023/12/20/boersenkurse-im-freiverkehr-als-schaetzungsgrundlage-fuer-unternehmenswert/ den Börsenkurs als Schätzungsgrundlage aufgrund der zu geringen Liquidität der Aktie gemessen nach Handelsvolumen, Handelstagen sowie der Geld-Brief-Spanne im Betrachtungszeitraum ab.
Aus der zum Teil unterschiedlichen Rechtsprechung der einzelnen OLG wird also deutlich, dass eine Bewertung hinsichtlich der Eignung des Börsenkurses zur Ermittlung der Abfindung stets im Einzelfall zu erfolgen hat. Die Abfindung muss angemessen den vollen anteiligen Wert der Gesellschaft abbilden. Im Zweifelsfall ist das Ertragswertverfahren gem. IDW S 1 die sicherere Wahl. Trotzdem kann, wie nun auch wieder der Beschluss des OLG Frankfurt/M. zeigt, unter Umständen der Börsenwert als Schätzungsgrundlage und damit zur Bestimmung einer angemessenen Abfindung sachgerecht sein.