Bei der Ermittlung einer angemessenen Barabfindung im Zusammenhang mit einem Squeeze-out stellt der Börsenkurs der Gesellschaft eine Untergrenze für die zu gewährende Abfindung dar, wenn aussagekräftige Börsenkurse vorliegen. Abgestellt wird diesbezüglich regelmäßig auf den nach Handelsvolumen gewichteten Dreimonatsdurchschnittskurs vor Bekanntgabe der Strukturmaßnahme. Mit Beschluss vom 27.08.2020 (Az.: 21 W 59/19) legt das OLG Frankfurt dar, unter welchen Voraussetzungen eine Hochrechnung des Kurses auf den Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung in Frage kommt.
Im vorliegenden Fall entschied das vorinstanzliche LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 04.02.2019, Az.: 3-05 O 68/17), dass der Rechtsprechung des BGH folgend (vgl. BGH, Beschluss vom 19.07.2010 – II ZB 18/09) eine Hochrechnung des als Mindestwert ermittelten Dreimonatsdurchschnittskurses vor Bekanntgabe des Squeeze-out zu erfolgen habe. Grund war, dass zwischen der erstmaligen Bekanntgabe der Strukturmaßnahme (14.11.2016) und dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung (22.06.2017) ein längerer Zeitraum von mehr als sieben Monaten lag. Besondere Umstände, die ein Absehen von einer Hochrechnung rechtfertigen könnten, seien nach Ansicht des LG Frankfurt a.M. nicht ersichtlich. Die Hochrechnung habe dabei anhand eines Mittelwertes aus einem Branchenindex und der Kursentwicklung einer Peer Group zu erfolgen.
Grundsätzlich gilt als Untergrenze einer angemessenen Abfindung der nach Handelsvolumen gewichtete durchschnittliche Börsenkurs innerhalb einer dreimonatigen Referenzperiode vor der erstmaligen Bekanntgabe der betreffenden Strukturmaßnahme. Die anschließende beschlussfassende Hauptversammlung, welche maßgeblich für den Bewertungsstichtag ist, liegt im Regelfall vier bis fünf Monate nach der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme.
Das OLG Frankfurt schließt sich der Auffassung des LG Frankfurt a.M. nicht an und schlussfolgert, dass der Dreimonatsdurchschnittskurs nicht entsprechend der branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung hochzurechnen sei. Der Rechtsprechung des BGH zufolge sei der Börsenwert entsprechend der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung unter Berücksichtigung der seitherigen Kursentwicklung nämlich nur dann hochzurechnen, wenn zwischen der Bekanntgabe der Strukturmaßnahme und dem Tag der Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstreicht und die Entwicklung der Börsenkurse eine Anpassung geboten erscheinen lassen. Allein die Tatsache, dass zwischen der erstmaligen Bekanntgabe und dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung ein längerer Zeitraum verstrichen sei, reicht allein nicht aus. Zusätzlich muss auch eine Anpassung aufgrund der zwischenzeitlichen Entwicklung der Börsenkurse geboten sein.
Das OLG Frankfurt weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall eine Hochrechnung des Börsenkurses aufgrund der Länge des Zeitraums zwischen Bekanntgabe und Beschluss des Squeeze-out grundsätzlich in Betracht gezogen werden könne. Das OLG Frankfurt sieht auf Basis empirischer Befunde einen längeren Zeitraum i.S.d. Rechtsprechung des BGH, wenn zwischen der erstmaligen Bekanntgabe und dem Tag der beschlussfassenden Hauptversammlung über sieben Monate vergangen sind. Gleichwohl führt nach Ansicht des OLG Frankfurt – trotz des bestehenden längeren Zeitraums im vorliegenden Fall – eine Hochrechnung aufgrund der Abkopplung der Kurse der betroffenen Gesellschaft von den Kursen vergleichbarer Unternehmen zu keiner sachgerechten Schätzung des Börsenkurses zum Bewertungszeitpunkt. Eine Hochrechnung habe daher zu unterbleiben.
Insgesamt sei nach Auffassung des OLG Frankfurt sicherzustellen, dass die Hochrechnung des Kurses nicht zum Normalfall wird, sondern auf Ausnahmen beschränkt bleibt. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Ausnahmeregel, deren Ziel es ist, einen denkbaren Missbrauch durch den Mehrheitsaktionär vorzubeugen, der andernfalls dadurch verleitet wäre, sich einen besonders günstigen Kurs durch eine frühzeitige Bekanntgabe einer geplanten Strukturmaßnahme zu sichern. Ein solcher Missbrauch auf Seiten der Mehrheitsaktionäre wurde im konkreten Fall nach Ansicht des OLG Frankfurt hingegen nicht beobachtet.