Der Transfer einer Steuerbegünstigung für Betriebsvermögen, für vermieteten Wohnraum und für das selbstgenutzte Familienheim unter Miterben setzt voraus, dass die Übertragung der Vermögenswerte im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt. Dies kann nach Ansicht des BFH auch dann der Fall sein, wenn die Teilung des Nachlasses mehr als sechs Monate nach dem Erbfall erfolgt. Eine entsprechende Frist zur Teilung des Nachlasses besteht dabei nach Ansicht des BFH, entgegen den Hinweisen zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien, nicht.
Steuerbegünstigungen finden sich im Erbschaftsteuergesetz unter anderem für das selbstgenutzte Familienheim (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG), für das Betriebsvermögen (§ 13a ErbStG) sowie für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d ErbStG). Bezüglich des Betriebsvermögens gilt nach § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG, dass ein Erwerber die Begünstigungen nicht (mehr) in Anspruch nehmen kann, soweit er begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b ErbStG im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Miterben überträgt. Gibt ein Miterbe dabei nicht begünstigtes Vermögen hin, welches er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Miterben um den Wert des hingegebenen Vermögens. Der Begünstigungstransfer führt danach zur Erhöhung der Bemessungsgrundlage für die Steuerbefreiung und nicht zu einer Veränderung der Zurechnung der Erwerbsgegenstände. Entsprechende Regelungen enthält das Gesetz auch für das sogenannte Familienheim (§ 13b Abs. 1 Nr. 4b und 4c Satz 4 ErbStG) und für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke (§ 13d Abs. 2 Satz 3 ErbStG).
Hintergrund des BFH-Urteils vom 15.05.2024 (II R 12/21) war nun folgender Streitfall: Die Eltern des Klägers starben im Dezember 2015 kurz nacheinander. Der Kläger und sein Bruder beerbten sowohl die Mutter als auch den Vater (Erblasser) je zur Hälfte. Zum Nachlass gehörten unter anderem eine Kommanditbeteiligung des Vaters und mehrere Grundstücke. Das beklagte Finanzamt setzte gegenüber dem Kläger die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. Dabei wurden ihm für den Erwerb des Betriebsvermögens und für einzelne Grundstücke Vergünstigungen gemäß §§ 13a-13d ErbStG gewährt. Zudem kam für eine nach dem Erbfall bewohnte Wohnung die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG zur Anwendung.
Im Jahr 2018 übertrug der Bruder dem Kläger im Rahmen der Erbauseinandersetzung den hälftigen Eigentumsanteil an der vom Kläger bewohnten Wohnung sowie den anteiligen Kommanditanteil. Die Grundstücke teilten die Brüder untereinander auf. Im Anschluss beantragte der Kläger beim Finanzamt die Änderung seines Erbschaftsteuerbescheids nach § 164 AO, da die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen aufgrund der Erbauseinandersetzung neu zuzuordnen seien. Nach der Vermögensaufteilung seien ihm die erbschaftsteuerlichen Begünstigungen für Betriebsvermögen und für das Familienheim, statt bisher zu 50 % nun in vollem Umfang zu gewähren.
Das Finanzamt lehnte die Änderung des Erbschaftsteuerbescheids mit der Begründung ab, eine Erbauseinandersetzung könne steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn sie zeitnah nach dem Erbfall erfolge. Nach den Hinweisen zu den Erbschaftsteuer-Richtlinien werde als zeitnah ein Zeitraum von sechs Monaten angesehen (H E 13a.11 ErbStH). Der Erbfall sei jedoch bereits im Jahr 2015 eingetreten, die Auseinandersetzung hingegen erst im Jahr 2018 erfolgt.
Gegen die Ablehnung der Änderungen legte der Kläger Einspruch ein, den das Finanzamt als unbegründet zurückwies. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Die Revision des Finanzamts gegen das Urteil des FG Düsseldorf vom 21.04.2021 (4 K 1154/20) wiesen die Richter des BFH zurück und entschieden, dass dem Kläger die Steuerbegünstigungen aufgrund des sogenannten Begünstigungstransfers in dem beantragten Umfang zu gewähren seien. Der sogenannte Begünstigungstransfer nach § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG setze voraus, dass die Übertragung des Betriebsvermögens auf den Miterben im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt und wirke nur insoweit, als im Gegenzug nicht begünstigtes Vermögen hingegeben wird.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung, nach der die Erbauseinandersetzung innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgen muss, sei eine zeitliche Beschränkung für die Teilung des Nachlasses in § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG nicht vorgesehen. Ausreichend sei – wie vom FG Düsseldorf zutreffend erkannt – dass ein „innerer Zusammenhang zum Erbfall“ besteht.
Ob die Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt, sei im Wege der Auslegung des ihr zugrunde liegenden Erbteilungsvertrags unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei bilde der zeitliche Abstand zwischen dem Anfall des Nachlasses und der Übertragung der Vermögensgegenstände nur ein Indiz. Je nach Umfang des Nachlasses und den Schwierigkeiten bei seiner Bewertung könne im Einzelfall auch bei einem über sechs Monate hinausgehenden Zeitraum noch von einer Übertragung im Rahmen der Teilung des Nachlasses ausgegangen werden. Das FG Düsseldorf hat einen Zusammenhang der Zuordnung mit der Teilung des Nachlasses damit begründet, dass der Kläger bereits vor der Auseinandersetzung das Familienheim selbst bewohnt hat und eine entsprechende Zuordnung unter den Erben von Anfang an beabsichtigt war.
Der BFH weist in seiner Entscheidung jedoch auch darauf hin, dass die Übertragung gerade nicht im Rahmen der Teilung des Nachlasses erfolgt und der Begünstigungstransfer daher ausgeschlossen ist, sofern der Entschluss, den Nachlass zu teilen und dabei begünstigtes (Betriebs-)Vermögen gegen nicht begünstigtes Vermögen zu übertragen, auf einer neuen Willensbildung der Erbengemeinschaft beruht, welche den Nachlass zunächst willentlich ungeteilt belassen hat.
Die Entscheidung des BFH ist auch auf andere Sachverhalte zu übertragen. Demnach kommt es für den möglichen Begünstigungstransfer bspw. auf die nachweisbare Geltendmachung testamentarisch vorgesehener Teilungsanordnungen und die deutlichen Bemühungen (zumindest eines Teils) der Erben auf die Umsetzung solche Teilungsanordnungen an.