Durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BGBl. 2024 I, Nr. 323 vom 29.10.2024), welches teilweise bereits zum 01.01.2025 in Kraft getreten ist, werden teils „strenge“ Formerfordernisse in arbeitsrechtlichen Vorschriften mit dem Ziel der Vereinfachung von Prozessen abgeschwächt. Das Arbeitsrecht wird ein Stück weit digitaler.
Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz IV (BGBl. 2024 I, Nr. 323 vom 29.10.2024) (im Folgenden: BEG IV) schafft der Gesetzgeber es endlich, auch das Arbeitsrecht digitaler zu machen. So ist künftig anstelle des noch weit verbreiteten „strengen“ Schriftformerfordernisses in einigen wichtigen Bereichen des Arbeitsrechts die Textform ausreichend. Nachfolgend ein Überblick.
Update des Nachweisgesetzes („NachwG“)
Bislang waren Arbeitgeber dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer spätestens mit Arbeitsbeginn eine eigenhändig unterzeichnete Niederschrift mit den wesentlichen Arbeitsbedingungen des Arbeitsverhältnisses auszuhändigen, vgl. § 2 S. 1 NachwG. Die „einfachste“ Lösung zur Einhaltung dieser Anforderungen des NachwG, insbesondere zur Vermeidung eines zusätzlichen Dokuments, bestand in der Praxis regelmäßig darin, diese unmittelbar in den Arbeitsvertrag zu integrieren und diesen handschriftlich zu unterzeichnen. Zwar sind Arbeitsverträge (abgesehen von bestimmten Ausnahmen etwa bei Befristungen) grundsätzlich formfrei und können daher auch mündlich oder konkludent geschlossen werden, jedoch führte vorstehende „Vereinfachung“ faktisch zu einem Schriftformzwang in Bezug auf Arbeitsverträge. Dies gab Anlass zu vielfacher Kritik am Gesetzgeber, sodass sich dieser unter Zugzwang sah.
NEU: Ab dem 01.01.2025 können basierend auf dem BEG IV die wesentlichen Arbeitsbedingungen auch in Textform abgefasst und elektronisch übermittelt werden, vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG n.F.
Doch auch die Textform hat Voraussetzungen: So entfällt zwar die eigenhändige Unterschrift des Arbeitgebers, allerdings bedarf es der Abgabe einer lesbaren Erklärung sowie die Bezeichnung des Erklärenden. Zur Rechtsgültigkeit der Erklärung ist die Nutzung von „DocuSign“, „Adobe Acrobat Sign“ oder „Skribble“ denkbar. Eine qualifizierte elektronische Signatur ist nicht erforderlich, aber möglich. (vgl. Newsbeitrag vom 02.04.2025). Die Erklärung hat auf einem dauerhaften Datenträger zu erfolgen, etwa in Form von E-Mails, eingescannten Dokumenten oder Dokumente in PDF-Form. Es müssen zusätzlich die folgenden Bedingungen eingehalten werden, die auf den unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 3 S. 2 der Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungen-RL“) beruhen:
- der Arbeitnehmer muss Zugang zu dem Dokument oder dem dauerhaften Datenträger haben,
- er muss es speichern und ausdrucken können (dies darf nicht durch Sicherheitseinstellungen einer elektronisch übersandten Datei verhindert werden) und
- der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer bei Übermittlung auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen (z.B. bei Übermittlung per E-Mail ggfs. mit automatischer Empfangsbestätigungsfunktion). Der Wortlaut von § 2 Abs. 1 S. 2 NachwG n.F. erfüllt in diesem Punkt grundsätzlich nicht die Anforderungen des Art. 3 S. 2 der Arbeitsbedingungen-RL, da dieser auch den Erhalt und nicht nur die Aufforderung zur Erteilung eines Übermittlungs- oder Empfangsnachweises vorsieht. Eine (vor allem in der juristischen Literatur vertretene) richtlinienkonforme Auslegung könnte daher zu dem Schluss führen, dass der Erhalt des Übermittlungs- oder Empfangsnachweises notwendig ist, um die Nachweispflicht zu erfüllen.
Werden die wesentlichen Arbeitsbedingungen wie üblich auch weiterhin mit dem Arbeitsvertrag verknüpft, bedeutet dies letztlich die Abkehr vom Schriftformerfordernis und die Entwicklung zum längst überfälligen digitalen Arbeitsvertrag.
Weitere Neuerungen durch das BEG IV
Darüber hinaus gelten zum 01.01.2025/01.05.2025 entsprechend dem BEG IV u.a. folgende weitere, für die Praxis relevante, Erleichterungen zu Formerfordernissen im Bereich des Arbeitsrechts:
- Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitnehmerüberlassungsverträge iSd Arbeitnehmerüberlassungsgesetz („AÜG“) können künftig in Textform vereinbart werden (zuvor wurde auch hier die Schriftform verlangt), vgl. § 12 Abs. 1 S. 1 AÜG n.F.;
- Elternzeit sowie (Familien-)Pflegezeit: Bei Elternzeitverlangen, Anträgen auf Teilzeitarbeit während der Elternzeit sowie der Ablehnung etwaiger Anträge genügt nunmehr auch die Textform, vgl. §§ 15, 16 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz („BEEG“) n.F.; ebenso für die Geltendmachung von Pflegezeit/Familienpflegezeit, vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 Pflegezeitgesetz („PflegeZG“) n.F., § 2a Abs. 1 S. 1 Familienpflegezeitgesetz („FPfZG“) n.F.;
- Arbeitszeugnis: Arbeitszeugnisse können künftig mit Einwilligung des Arbeitnehmers, für die gesetzlich keine Form vorgesehen ist, in elektronischer Form unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur entsprechend § 126a BGB ausgestellt werden, vgl. § 109 Abs. 3 Gewerbeordnung („GewO“) n.F.;
- Arbeitszeit: Die Pflicht zum Aushang des Arbeitszeitgesetzes („ArbZG“) und weiterer Vorschriften kann nunmehr digital durch die Nutzung der im Betrieb üblichen Informations- und Kommunikationstechniken (etwa Microsoft Teams, Intranet) erfüllt werden, vgl. § 16 ArbZG n.F.
Ausnahmen von den neuen Formerleichterungen
Aber Achtung: Es gibt auch weiterhin Ausnahmen von den vorab dargestellten Formerleichterungen!
Diese ergeben sich zum Teil bereits aus dem NachwG selbst, das etwa in § 2a Abs. 1 S. 6 NachwG vorsieht, dass die vorab dargestellte Textform nicht möglich ist für Arbeitsverhältnisse und Arbeitnehmer, die in einem Wirtschaftsbereich oder Wirtschaftszweig nach § 2a Absatz 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes („SchwarzArbG“) tätig sind, also etwa im Bau-, Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, etc. Hier gilt weiterhin das Schriftformerfordernis. Zudem kann der Arbeitnehmer auch weiterhin die Aushändigung der wesentlichen Arbeitsbedingungen niedergelegt in Schriftform verlangen, vgl. § 2 Abs. 1 S. 3 NachwG. Der Arbeitgeber muss die Schriftform wahren, wenn der Nachweis über die wesentlichen Vertragsbedingungen nicht (rechtzeitig) erteilt wurde, vgl. § 2 Abs. 1 S. 4 NachwG.
Eine weitere Ausnahme hinsichtlich der vorstehenden Formerleichterungen kann sich aufgrund eines Tarifvertrages ergeben, sollte ein solcher Anwendung finden oder im Arbeitsvertrag für (teilweise) anwendbar erklärt worden sein. Dort können weitergehende Formerfordernisse für den Gesamtarbeitsvertrag oder einzelne Teilbereiche angeordnet sein. Diese gehen stets vor.
Eine weitere wichtige Ausnahme sind befristete Arbeitsverhältnisse: So unterliegen Befristungsvereinbarungen zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich weiterhin dem „klassischen“ Schriftformerfordernis, siehe § 14 Abs. 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz („TzBfG“). Einzig denkbare Erleichterung ist hier der Abschluss der Befristungsabrede in elektronischer Form iSv § 126a BGB unter Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur, was in der Praxis jedoch kaum umsetzbar sein dürfte. Hinweis: Eine „Rückausnahme“ besteht wiederum im Falle der üblichen Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zur Regelaltersgrenze (vgl. § 41 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch („SGB VI“) n.F.). Diese kann in Textform vereinbart werden, wenn die Befristungsabrede nach dem 01.01.2025 vereinbart wurde/wird.
Auch für nachvertragliche Wettbewerbsverbote bleibt es beim gesetzlichen Schriftformerfordernis des § 74 Abs. 1 Handelsgesetzbuch („HGB“). Eine Erleichterung des Formerfordernisses ist durch das BEG IV nicht geschaffen worden.
Für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen gilt uneingeschränkt das Schriftformerfordernis des § 623 BGB, d.h. bei dem Ausspruch von Kündigungen oder der Vereinbarung von Aufhebungsvereinbarungen gilt immer die „strenge“ Schriftform. Auch hier schafft das BEG IV keine Erleichterungen.
Fazit und To-Dos
In der Praxis ist beim Neuabschluss wie auch der Änderung oder Verlängerung von Arbeitsverträgen je nach Einzelfall zu prüfen, ob die Einhaltung der Textform ausreichend oder das Schriftformerfordernis zu wahren ist. Bei „einfachen“ arbeitsvertraglichen Regelungen, etwa Arbeitsverträgen ohne Befristungsabrede und Sonderregelungen wie einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, kann künftig mit elektronischen Signaturen zur Vereinfachung der Vertragsprozesse gearbeitet werden, sofern die entsprechenden Anforderungen hierbei eingehalten werden. Dahingehend empfiehlt es sich eine Art „Standardprozess“ zu etablieren, um nichts zu übersehen. Bei „sonstigen“ Arbeitsverträgen sollte weiterhin auf die altmodische handschriftliche Unterschrift gesetzt werden, um rechtliche Problematiken zu vermeiden. In Zweifels- oder Grenzfällen ist zu empfehlen, zusätzlich zum elektronischen Prozess, Vertragsdokumente nachgelagert schriftlich zu unterzeichnen.