Finanzgerichte haben mit zwei Urteilen den Zinssatz von 5,5 Prozent nach § 12 Abs. 3 S. 2 BewG für die Abzinsung einer Verbindlichkeit und nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Abzinsung von betrieblichen Verbindlichkeiten als verfassungsgemäß gebilligt. Dies gelte zumindest noch in den Wirtschaftsjahren 2015 und 2016.
Im ersten Streitfall hat der Kläger die Verfassungsmäßigkeit des in § 12 Abs. 3 BewG vorgesehenen Zinssatzes angezweifelt. Er führt an, dass eine Abzinsung von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen statt nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG auch nach §§ 12-14 BewG vorgenommen werden kann. Deshalb seien Beschlüsse für die erstgenannte Vorschrift auch auf die zweite anwendbar. Konkret geht es hier um den Beschluss des FG Hamburg vom 31.1.2019, in dem das FG die Rechtmäßigkeit des Zinssatzes in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG anzweifelt, da der Zins in einer anhaltenden Niedrigzinsphase den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren hat.
Das FG Düsseldorf hat für diesen Streitfall mit seinem Urteil 4 K 865/12 Erb vom 28.07.2021 Folgendes entschieden:
- Der für die Abzinsung einer unverzinslichen Nachlassverbindlichkeit in § 12 Abs. 3 S. 2 BewG vorgegebene Zinssatz von 5,5 % war für den Bewertungsstichtag 13.03.2015 noch verfassungsgemäß.
- Dabei wird auf die von der Bundesbank monatlich veröffentlichten, durch Stichproben bei den Kreditinstituten erhobenen Referenzzinssätze abgestellt.
- Für den Monat März 2015, dem Monat des Bewertungsstichtags, ergibt sich daraus ein Effektivzinssatz von 4,75 %,
- Zusätzlich mussten in dem vorliegenden Fall keine Sicherheiten geleistet werden, was den Zinssatz noch weiter erhöht hätte.
- Daher bewegt sich der Zinssatz von 5,5 % in einem zulässigen Rahmen.
Im zweiten Fall streiten die Beteiligten über die Abzinsung von Darlehensverbindlichkeiten. Nachträglich zur Veranlagung wurde bei einer Betriebsprüfung festgestellt, dass es sich bei zwei im Jahresabschluss enthaltenen Darlehensverbindlichkeiten um unverzinsliche Darlehen mit unbestimmter Laufzeit handle, welche schon 1996 bzw. 1998 in den Bilanzen passiviert wurden. Daraufhin wurden die Bescheide für das Jahr 2016 um den Abzinsungsbetrag geändert.
Der Kläger führt an, der Gesetzgeber berücksichtige bei der neuen Berechnung, dass unverzinsliche Verbindlichkeiten „weniger belastend als marktüblich verzinste Schulden“ seien. Soweit der übliche Marktzins gegen Null oder sogar unter Null tendiere, seien die wirtschaftlichen Vorteile einer unverzinslichen Verbindlichkeit gegenüber einer verzinslichen Verbindlichkeit aufgehoben.
Mit seinem Urteil 10 K 1707/20 E, G vom 22.07.2021 hat das FG Münster Folgendes entschieden:
- Bei der Beurteilung der Höhe des Zinssatzes müssen neben der Höhe der marktüblichen Zinsen auch weitere Faktoren berücksichtigt werden: Fehlende Besicherung des Kredites, Bonität des Schuldners, den Umstand, dass bestimmte Unternehmen keine Kredite mehr erhalten würden.
- Vor diesem Hintergrund ist der Zinssatz von 5,5 % (gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG) im Streitjahr 2016 nicht willkürlich überhöht.
- Schließlich kommt hinzu, dass der Steuerpflichtige eine Abzinsung nach § 6 Abs. 1 S. 1 EStG in aller Regel durch entsprechende Gestaltungen selbst vermeiden kann.
- Gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 EStG findet bei Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, sowie bei Verbindlichkeiten, die verzinslich sind, keine Abzinsung statt
„Vorschlag“ des Gerichts zur Vermeidung von Abzinsungen:
- Eine Abzinsung lässt sich daher zum einen durch sogenanntes Kettendarlehen vermeiden, d.h. für weniger als zwölf Monate gewährte Darlehen, deren Laufzeit später wiederholt verlängert wird.
- Zudem unterbleibt eine Abzinsung bereits bei der Vereinbarung eines Zinssatzes nahe 0 %, solange dieser gerade über 0 % liegt.