Im Zuge der ersten von der Ampel-Koalition verabschiedeten Gesetze haben besonders die Steuergesetze Interesse geweckt. Diese sollten nicht nur aufgrund der heiklen Pandemielage, sondern auch aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und der daraus resultierenden Inflation die Bevölkerung etwas entlasten. Die wichtigsten Beispiele hierfür sind das Steuerentlastungsgesetz 2022, das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz und das Zinsanpassungsgesetz.
1. Änderungen im EStG
Steuerfreie Corona-Sonderprämie
Bezüglich der Änderungen des EStG (Einkommensteuergesetz) ist zu erwähnen, dass nun eine steuerfreie Corona-Prämie durch die Ampel-Koalition eingeführt wurde.
Nach § 3 Nr. 11b Satz 1 des EStG werden ab sofort zusätzlich zum Arbeitslohn gewährte Leistungen bis zu einem Betrag von EUR 4.500 (zuvor noch EUR 3.000) steuerfrei gestellt, die zwischen dem 18.11.2021 und dem 31.12.2022 durch den Arbeitgeber „zur Anerkennung besonderer Leistungen während der Corona-Krise“ ausgezahlt werden.
Es bestehen keine Nachweispflichten dieser Leistungen für den Arbeitnehmer.
Voraussetzung für diesen Steuerfreibetrag ist, dass der Arbeitnehmer in einer der folgenden Einrichtungen tätig ist und im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung oder eines Werk- oder Dienstleistungsvertrags eingesetzt wird:
- Krankenhäuser,
- Einrichtungen für ambulantes Operieren,
- Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtungen mit krankenhausähnlicher medizinischer Versorgung;
- Dialyseeinrichtungen,
- Arztpraxen, Zahnarztpraxen,
- Ambulante Pflegedienste für Einrichtungen, Wohngruppen oder sonstige gemeinschaftliche Wohnformen,
- Rettungsdienste,
- Voll- oder teilstationäre Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von älteren, behinderten oder pflegebedürftigen Menschen oder vergleichbare Einrichtungen,
- ambulante Pflegedienste und Unternehmen, die vergleichbar zu den bereits genannten voll- oder teilstationären Einrichtungen sind.
Außerdem ist hierbei anzumerken, dass nicht nur die Pflegekräfte hiervon betroffen sind, sondern auch andere Arbeitnehmer aus den betroffenen Einrichtungen. Gleiches gilt für Auszubildende und Freiwillige.
Verlängerung von Steuererleichterungen
Durch das Inkrafttreten des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes wurde nun der Zeitraum in dem die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und zum Saison-Kurzarbeitergeld bis zu 80 % des Unterschiedsbetrags zwischen dem Soll-Entgelt und dem Ist-Entgelt nach § 106 SGB III steuerfrei gestellt werden bis zum 30.06.2022 verlängert.
Zusätzlich wird der Anwendungsbereich der Homeoffice-Pauschale bis auf das Jahr 2022 ausgedehnt.
Auch die Reininvestitionsfristen für Rücklagen nach § 6b EStG gemäß § 52 Abs. 14 Sätze 4-6 EstG werden verlängert. Somit kann bei kalenderjahrgleichem Wirtschaftsjahr eine begünstigte Reinvestition bis zum 31.12.2023 durchgeführt werden.
Die degressive AfA (Absetzung für Abnutzung) nach § 7 Abs. 2 EStG kann nun für bewegliche Wirtschaftsgüter aus den Anlagevermögen gewählt werden, die im Jahr 2022 angeschafft oder hergestellt werden. Zuvor war der Anwendungszeitraum auf 2020 bis 2021 eingeschränkt.
Abzinsungsgebot
Aufhebung des Abzinsungsgebots für Verbindlichkeiten für Wirtschaftsjahre, welche nach dem 31.12.2022 enden. Beibehalten wird das Abzinsungsgebot für Rückstellungen für Verpflichtungen deren Laufzeit am Bilanzstichtag mindestens 12 Monate beträgt.
Entfernungspauschale
Durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 wird die Entfernungspauschale rückwirkend für den VZ (Veranlagungszeitraum) 2021 von zuvor EUR 0,30 auf EUR 0,35 angehoben. Dies gilt primär für Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte, aber auch Fahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung.
Im Rahmen der Gewinneinkunftsarten ist dies gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG auch gültig für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte sowie für Familienheimfahrten.
Für Fernpendler wurde von dem VZ 2022 bis 2026 ab dem 21. Kilometer eine erhöhte Pauschale von EUR 0,38 je Entfernungskilometer geregelt.
Arbeitnehmer-Pauschbetrag
Ab dem VZ 2022 wird der Arbeitnehmer-Pauschbetrag aus § 9a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStG von EUR 1.000 auf EUR 1.200 angehoben.
Verlustrücktrag
Durch das Inkrafttreten des Vierten Corona-Steuerhilfegesetzes wird nun auch die Regelung des steuerlichen Verlustrücktrags wesentlich in drei Bestandteilen beeinflusst.
- Die Erhöhung des Verlustrücktrags auf einen Betrag von EUR 10 Mio. (bei Zusammenveranlagung: EUR 20 Mio.) gilt nun auch für Verluste, die in den VZ 2022 und 2023 verzeichnet wurden. Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG gilt diese Erhöhung nun auch für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen.
Erstmals ab dem VZ 2024 wird der Verlustrücktrag auf EUR 1 Mio. gesenkt (EUR 2 Mio. im Fall einer Zusammenveranlagung). - Nach § 10d Abs. 1 Satz 2 des EStG wird der Verlustrücktrag auf den zweiten vorangegangenen VZ erweitert. Diese Regelung wird ab dem VZ 2022 gültig gemacht. Somit wird ein Verlustrücktrag in dem VZ 2020 eröffnet, jedoch nicht aus dem VZ 2021 in das letzte Vor-Corona Jahr 2019.
Nach dem Wortlaut des EStG wird der Verlustrücktrag in den zweiten vorangegangenen VZ erst eröffnet „soweit“ ein Ausgleich der negativen Einkünfte im direkt vorangegangenen VZ nicht möglich ist. Die Reihenfolge der Rücktragsjahre ist daher unbedingt vorgegeben. - Das bisherige Wahlrecht zur betragsmäßigen Begrenzung des Verlustrücktrags ist nun von der Ampel-Koalition gestrichen worden.
Lediglich wurde in § 10d Abs. 1 Satz 5 EStG beibehalten, dass der Steuerpflichtige auf eigenständigen Antrag von der Anwendung des Verlustrücktrags insgesamt Abstand nehmen kann (zuvor war dies nur „ganz oder teilweise“ möglich).
Grundfreibetrag
Mit erstmaliger Anwendung für den VZ 2022 wurde der Grundfreibetrag im Einkommenssteuertarif um EUR 363 angehoben. Somit beläuft sich dieser nun auf insgesamt EUR 10.347. Dieser Anstieg sollte laut der Gesetzesbegründung die „derzeit geschätzte“ Inflationsrate in 2022 von 3 % abdecken.
Dadurch, dass die ifo Konjunkturprognose Sommer 2022 eine Inflationsrate von etwa 6,8 % und die EU-Kommission eine Rate von 7,9 % für das Jahr vorhersagt, dürfte eine weitere Erhöhung des Grundfreibetrags wohl nicht allzu lange auf sich warten lassen.
Weitere Folgeänderungen, die mit der Erhöhung des Grundfreibetrags verknüpft wurden, lauten:
- Festlegung eines Betrags von EUR 11.793, anstatt von EUR 11.480, bei der Berechnung der Jahreslohnsteuer für die Steuerklassen V und VI.
- Erhöhung der Arbeitslohngrenzen im Hinblick auf die Befreiung von der Pflicht zur Abgabe einer Einkommenssteuererklärung bei zu hoher Mindestvorsorgepauschale und der Freibeträge nach § 39a Abs. 1 EStG auf EUR 13.150 bzw. EUR 24.950.
- Die Arbeitslohngrenze im Hinblick auf die Abgeltungswirkung des Lohnsteuerabzugs wurde für beschränkt Steuerpflichtige auf EUR 13.150 angepasst.
Energiepreispauschale
Neu ist, dass durch das Steuerentlastungsgesetz 2022 dem EStG die §§ 112 bis 122 angefügt werden. Laut diesen Neuregelungen wird gemäß § 112 EStG für den VZ 2022 Anspruchsberechtigten eine einmalige steuerpflichtige Energiepreispauschale von EUR 300 ausgezahlt.
Ausgeschlossen als Anspruchsberechtigte hiervon sind:
- beschränkt steuerpflichtige Grenzpendler,
- unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die ausschließlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte im Sinne von § 22 EStG erzielen und
- Empfänger von Versorgungsbezügen (wie z.B. Rentner), die keine Einkünfte aus Gewinneinkunftsarten oder aus einer aktiv ausgeübten nichtselbstständigen Tätigkeit erzielen.
Die Beschränkung auf „aktiv“ Erwerbstätige wurde damit begründet, dass diese Wegeaufwendungen haben, die durch die Entfernungspauschale nicht vollständig abgedeckt werden.
Der Anspruch auf die Energiepreispauschale entsteht am 01.09.2022 und ist noch im September 2022 auszuzahlen.
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 EStG erhalten Arbeitnehmer die Auszahlung von EUR 300 von ihrem Arbeitgeber, wenn diese am 01.09.2022 in einem gegenwärtigen ersten Dienstverhältnis stehen und in eine der Steuerklassen I bis V eingereiht sind oder laut § 40a Abs. 2 EStG pauschal besteuerten Arbeitslohn beziehen.
Ausgeschlossen hiervon sind Arbeitgeber, die keine Lohnsteueranmeldung abgeben.
In dem Fall, dass eine Auszahlung der Energiepreispauschale durch den Arbeitgeber nicht in Betracht kommt, wird gemäß § 188 Abs. 1 Satz 1 EStG die Einkommensteuervorauszahlung um die Energiepreispauschale vermindert.
Die Refinanzierung der Arbeitgeber erfolgt durch eine Senkung der Lohnsteuer um die Brutto-Energiepreispauschalen im Monat vor ihrer Auszahlung.
Kinderbonus
Außerdem wird für das Kalenderjahr 2022 nach § 66 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG einmalig ein Kinderbonus von EUR 100 ausgezahlt. Anspruch auf diesen Bonus besteht, für jedes Kind, auf das im Juli 2022 ohnehin ein Anspruch auf Kindergeld gegeben ist.
Die Auszahlung soll zeitnah zu den Auszahlungsterminen des Kindergelds für den Monat Juli 2022 erfolgen.
2. Verlängerung der Steuererklärungsfristen
Durch die Verabschiedung des Vierten Corona-Steuerhilfegesetz wurden nun in Art. 97 § 36 Abs. 3 EGAO für die Besteuerungszeiträume 2020 bis 2024 die Steuererklärungsfristen erneut nach hinten verschoben.
Laut dem Bundesfinanzministerium sollen erstmals ab dem Jahr 2025 wieder die regulären Steuererklärungsfristen gültig sein.
Somit gelten nun folgende Steuererklärungsfristen:
Besteuerungszeitraum | Beratene Stpfl. (§ 149 Abs. 3 AO) | Nicht beratene Stpfl. (§ 149 Abs. 2 Satz 1 AO) |
2020 | 31.08.2022 | 01.11.2021 |
2021 | 31.08.2023 | 31.10.2022 |
2022 | 31.07.2024 | 02.10.2023 |
2023 | 02.06.2025 | 02.09.2024 |
2024 | 30.04.2026 | 31.07.2025 |
2025 | 01.03.2027 | 31.07.2026 |
Besteuerungszeitraum | Beratene Land- und Forstwirte (§ 149 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 AO) | Nicht beratene Land- und Forstwirte (§149 Abs. 2 Satz 2 AO) |
2020 | 31.01.2023 | 02.05.2022 |
2021 | 31.01.2024 | 02.05.2023 |
2022 | 31.12.2024 | 02.04.2024 |
2023 | 31.10.2025 | 28.02.2025 |
2024 | 30.09.2026 | 02.02.2026 |
2025 | 02.08.2027 | 01.02.2027 |
Zudem wurden in § 37 Abs. 3 Satz 3 EStG sowie entsprechend § 19 Abs. 3 GewStG auch die Fristen zur Anpassung der Steuervorauszahlungen wie folgt nach hinten geschoben:
VZ | Anpassung der Vorauszahlung möglich bis |
2020 | 30.09.2022 |
2021 | 30.09.2023 |
2022 | 31.08.2024 |
2023 | 30.06.2025 |
2024 | 31.05.2026 |
Darüber hinaus wurden auch noch gemäß § 233a Abs. 2 Sätze 1 und 2 AO die zinsfreien Karenzzeiten verlängert, sowie die Zeitpunkte, ab denen bei Verletzung der Erklärungspflicht ein Verspätungszuschlag nach § 152 Abs. 2 AO fällig ist:
VZ | am |
2020 | 01.10.2022 |
2021 | 01.10.2023 |
2022 | 01.09.2024 |
2023 | 01.07.2025 |
2024 | 01.06.2026 |
3. Zinsanpassungsgesetz
Am 23.06.2022 hat der Deutsche Bundestag das Zinsanpassungsgesetz verabschiedet, somit das zweite Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung eingeführt.
Hiermit wurde nun gesetzlich festgelegt, dass in Fällen des § 233a AO die Zinsen ab dem 01.01.2019 0,15 % für jeden Monat, also 1,8 % für jedes Jahr.
Dabei wird unter Berücksichtigung des Basiszinssatzes nach § 247 BGB mindestens alle zwei Jahre die Angemessenheit dieses Zinssatzes nach § 238 Abs. 1c AO geprüft.
Die erste Evaluierung des Zinssatzes wird spätestens am 01.01.2024 erfolgen.
Dieses Gesetz ist eine Reaktion auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts nach dem der Gesetzgeber den festen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 0,5 % je vollem Kalendermonat seit 2014 hätte anpassen müssen.
4. Ausblick – Investitionsprämie
Bereits im Koalitionsvertrag der Ampel wurde angekündigt, dass Investitionsförderungen für Klimaschutz und digitale Wirtschaftsgüter in den Jahren 2022 und 2023 erfolgen sollen.
Diese werden einerseits als „Investitionsprämie“, andererseits aber auch als „Superabschreibungen“ beschrieben und soll entsprechende Investitionen begünstigen.
Feststeht, dass hier noch viele Spekulationen darüber im Raume stehen, wie die Regierung diese Förderung ausgestalten wird oder, ob diese überhaupt umgesetzt werden. Dennoch wird medial berichtet, dass das Bundesfinanzministerium bereits an dem Entwurf für eine solche Superabschreibung arbeitet.