Nachdem der Rat der EU die Richtlinie zur Umsetzung einer globalen Mindestbesteuerung bereits am 15.12.2022 verabschiedete, wurde der Referentenentwurf des darauf aufbauenden nationalen Umsetzungsgesetzes durch das BMF mit Datum vom 07.07.2023 am 10.07.2023 an die Verbände verschickt (sogenanntes Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG). Damit kündigt sich das Ende eines jahrelangen Prozesses auf Ebene der OECD, EU sowie nun der nationalen deutschen Gesetzgebung an.
1. Hintergrund & Verfahrenslauf
Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur globalen Mindeststeuer in Deutschland folgt auf langjährige politische Diskussionen über die angemessene Besteuerung von (multinationalen) Unternehmen. Ausgelöst von den niedrigen Steuerquoten insbesondere großer Technologie-Unternehmen hat sich die (globale) Politik unter Führung der G20-Staaten dazu entschlossen, gegen die Steuervermeidung durch Unternehmen vorzugehen. Unter dem Schlagwort BEPS – kurz für „Base Erosion and Profit Shifting“ – wurde seit dem Jahr 2012 das Ziel verfolgt, nationale und internationale Instrumente zu entwickeln, die Steuervermeidung eindämmen und sicherstellen sollen, dass Unternehmensgewinne auch in den Ländern besteuert werden, in denen die gewinnschöpfende Geschäftstätigkeit erfolgt.
Der nach drei Jahren Arbeit im Jahr 2015 veröffentlichte Abschlussbericht mit 15 Aktionspunkten fand zwar viel Beachtung, ging allerdings nicht mit einer politischen Einigung einher. Daraufhin entstand das sogenannte „OECD/G20 Inclusive Framework on BEPS“ in dem bis zu 142 Staaten weltweit weiter an Maßnahmen gegen Steuervermeidung internationaler Unternehmen arbeiteten (das sogenannte „BEPS 2.0“). Auf Initiative von Deutschland und Frankreich wurde 2019 auch eine globale Mindestbesteuerung unter dem Arbeitstitel GloBE – kurz für „Global Anti-Base Erosion Proposal“ – Teil dieser Diskussion. Bekannt wurde dieser Teil des BEPS-Projekts auch unter dem Schlagwort „Pillar Two“, da die Mindestbesteuerung eine der beiden wesentlichen Maßnahmen für mehr Steuergerechtigkeit sein sollte (Pillar One sieht eine Neuverteilung von Steuersubstrat vor). Im Oktober 2021 einigte sich eine Mehrheit der Mitglieder des „Inclusive Framework on BEPS“ weitgehend. In der Folge wurden unter dem Begriff „common approach“ Mustervorschriften für die globale Mindestbesteuerung mit einem Steuersatz von 15 % durch die OECD im Namen des Inclusive Framework veröffentlicht. Im März 2022 folgten weitere Erläuterungen und Beispiele.
Bereits am 22.12.2021 und damit im Vergleich zu anderen Beteiligten äußerst früh hat auch der Rat der EU einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen in der EU auf Basis der Arbeit der OECD auf den Weg gebracht. Letztlich dauerte es dann aber fast ein Jahr bis zur tatsächlichen Verabschiedung der Richtlinie am 15.12.2022.
Durch die Verabschiedung der EU-Richtlinie wurde der deutsche Gesetzgeber zu einer nationalen Umsetzung der Mindestbesteuerung verpflichtet. Das BMF hat daraufhin am 20.03.2023 einen ersten Diskussionsentwurf des Gesetzes für die Umsetzung der Richtlinie zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unternehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union veröffentlicht. Am 10.07.2023 hat das BMF den Referentenentwurf des Gesetzes mit Datum vom 07.07.2023 an die Verbände mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 21.07.2023 versendet (Mindestbesteuerungsrichtlinie-Umsetzungsgesetz – MinBestRL-UmsG).
2. Der BMF-Referentenentwurf vom 07.07.2023
Entsprechend des BMF-Entwurfs vom 07.07.2023 sollen die Regelungen zur globalen Mindeststeuer im deutschen Steuerrecht durch ein neu einzuführendes Gesetz zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen (sogenanntes Mindeststeuergesetz – MinStG) umgesetzt werden. Das neue Gesetz würde dem Referentenentwurf folgend 95 Einzelvorschriften umfassen. Die Mindeststeuer soll als eigenständige Steuer implementiert werden, die die Gewinne internationaler Unternehmensgruppen zum Gegenstand hat. Die Erhebung erfolgt dabei unabhängig von der Rechtsform. Damit tritt die Mindestbesteuerung neben die Einkommens- bzw. Körperschaftsteuer sowie die Gewerbesteuer.
Durch das neue Gesetz soll sichergestellt werden, dass in Bezug auf die jeweiligen Steuerjurisdiktionen die konsolidierten Einkommen aller Geschäftseinheiten einer Unternehmensgruppe mit effektiv mindestens 15 % Steuern belastet werden. Erst wenn dieser effektive Mindeststeuersatz im Rahmen der regulären Ertragsbesteuerung nicht erreicht wird, soll durch die neue Mindeststeuer eine zusätzliche Besteuerung erfolgen, und zwar soweit bis der Mindeststeuersatz von 15 % erreicht ist.
Nach aktuellem Stand ist das MinStG erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 30.12.2023 beginnen, anzuwenden (§ 95 MinStG-E). Das neue Gesetz erfasst dabei im Inland belegene Geschäftseinheiten von Unternehmensgruppen, die die Umsatzgrenze von EUR 750 Mio. in mindestens zwei der vier vorangegangenen Geschäftsjahre erreichen (§ 1 MinStG-E). Auch wenn der Fokus auf dem Weg zur Schaffung der globalen Mindestbesteuerung meist auf international tätigen Unternehmen lag, ist der Anwendungsbereich des MinStG unabhängig davon eröffnet, ob die jeweilige Unternehmensgruppe international oder rein national tätig ist. Es ist nicht relevant, in welchem Staat die oberste Muttergesellschaft ansässig ist. Unter Geschäftseinheiten sind im Grundsatz alle Rechtsträger, die nicht natürliche Personen sind, zu verstehen. Damit sind sowohl Kapital- und Personengesellschaften erfasst als auch ihre Betriebsstätten, wenn im Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft die Vermögenswerte, Schulden, Erträge, Aufwendungen und Cashflows des jeweiligen Rechtsträgers konsolidiert werden (§ 4 MinStG-E). Der Referentenentwurf des BMF sieht einen pauschalen und vollumfänglichen „Treaty Override“ (§§ 1 und 94 MinStG-E) vor. Damit schützen auch etwaig einschlägige Doppelbesteuerungsabkommen nicht vor der Anwendung des MinStG.
Der zweite Teil des Referentenentwurfs enthält Vorschriften über die Besteuerung einer inländischen Muttergesellschaft nach der Primärergänzungssteuerregelung (PES; §§ 8-10 MinStG-E) sowie einzelner inländischer Geschäftseinheiten nach der Sekundärergänzungssteuerregelung (SES; §§ 11–14 MinStG-E).
Die PES kommt bei Muttergesellschaften einer Unternehmensgruppe zum Tragen. Unter den Begriff der Muttergesellschaften sind neben der obersten Muttergesellschaft nach § 4 Absatz 3 MinStG-E auch die zwischengeschaltete und die in Teileigentum stehende Muttergesellschaft nach § 4 Absätze 4 und 5 MinStG-E zu fassen. Für die Anwendung der PES ist damit entscheidend, welche Geschäftseinheit in der Beteiligungshierarchie am höchsten steht („Top-Down-Ansatz“). Damit spiegelt die PES die Income Inclusion Rule des GloBE-Projekts wider.
Die SES hingegen ist subsidiär zu der PES anzuwenden und dient damit als Auffangtatbestand für Fallkonstellationen, in denen die Niedrigbesteuerung nicht bereits durch die Anwendung der PES ausgeglichen wird. Der auf Deutschland entfallende Teil am Steuererhöhungsbetrag wird gemäß § 12 MinStG-E anhand einer substanzbasierten Formel ermittelt.
Neben der PES und der SES sieht der zehnte Teil des Referentenentwurfs Vorschriften zur nationalen Ergänzungssteuer vor. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Vorgaben zur globalen effektiven Mindestbesteuerung gemäß der EU-Richtlinie bezogen auf sämtliche in der Bundesrepublik Deutschland belegene Geschäftseinheiten umgesetzt werden.
Kernstück des MinStG-E ist die Berechnung der Mindeststeuer in den §§ 15–59 MinStG-E. Sie erfolgt unter Zugrundelegung eines Mindeststeuersatzes von 15 % bezogen auf die zusammengerechneten Einkünfte aller Geschäftseinheiten innerhalb eines Steuerhoheitsgebietes.
Als Basis zur Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage dient die externe Rechnungslegung, wobei im Regelfall die für den Konzernabschluss der obersten Muttergesellschaft geltenden Rechnungslegungsstandards anzuwenden sind. Davon ausgehend wird durch eine Vielzahl von Anpassungen, bspw. die Herausrechnung des Gesamtsteueraufwands, die Kürzung von Dividendenerträgen oder die Eliminierung von Bewertungsdifferenzen auf Grundlage der Neubewertung von Sachanlagen, eine mit dem üblichen steuerpflichtigen Gewinn oder Verlust vergleichbare Bemessungsgrundlage geschaffen („Mindeststeuer-Gewinn“ bzw. „Mindeststeuer-Verlust“).
Als Vergleichsgröße zur Ermittlung des effektiven Steuersatzes im Rahmen des steuerlichen Belastungstests sowie eines etwaigen Steuererhöhungsbetrags gelten die sogenannten angepassten erfassten Steuern. Hierzu zählen im Wesentlichen die Ertragssteuern der jeweiligen Geschäftseinheit. Ähnlich der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage erfolgen dann noch verschiedene Anpassungen, bspw. die Kürzung von Steueraufwand, der voraussichtlich nicht binnen drei Jahren nach Ablauf des Geschäftsjahrs entrichtet wird.
Nachdem die Mindeststeuer-Gewinne und -Verluste aller Geschäftseinheiten eines Steuerhoheitsgebietes sowie die angepassten erfassten Steuern ermittelt sind, wird der effektive Steuersatz der jeweiligen Unternehmensgruppe für ein Steuerhoheitsgebiet bestimmt (§ 50 MinStG-E). Dies erfolgt durch Gegenüberstellung der Mindeststeuer-Gewinne bzw. Mindeststeuer-Verluste aller in einem Steuerhoheitsgebiet belegenen Geschäftseinheiten (sogenannter Gesamt-Mindeststeuer-Gewinn) mit der Summe der erfassten angepassten Steuern derselben Geschäftseinheiten. Die resultierende Differenz zwischen effektivem Steuersatz und dem Mindeststeuersatz von 15 % dient dann wiederum als Grundlage für die Ermittlung des Steuererhöhungsbetrags im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet (§ 51 MinStG-E).
Für das Besteuerungsverfahrens wird aus allen im Inland belegenen Geschäftseinheiten eine sogenannte Mindeststeuergruppe gebildet, welche durch einen Gruppenträger geführt wird (§ 3 MinStG-E). In der Regel übernimmt die im Inland belegene (oberste) Muttergesellschaft der Unternehmensgruppe die Rolle des Gruppenträgers. Die Mindeststeuerschulden werden nach dem MinStG beim deutschen Gruppenträger konzentriert und damit andere deutsche Gruppengesellschaften von ihrer Mindeststeuerschuld befreit. Der erst im Referentenentwurf vom 07.07.2023 eingefügte § 3 Abs. 6 MinStG-E schafft daher eine gesetzliche Grundlage für entstehende Ausgleichsansprüche der die Mindeststeuerschuld zahlenden Geschäftseinheit gegenüber den deutschen Gruppengesellschaften, deren Ergänzungssteuerbeträge ihr zugerechnet wurden. Umgekehrt müssen Steuererstattungen vom Gruppenträger entsprechend an die anderen deutschen Geschäftseinheiten weitergegeben werden. Die Ausgleichsansprüche erhöhen oder mindern das Einkommen nach EStG oder KStG nicht. Der Gruppenträger hat des Weiteren auch die Pflicht zur Abgabe eines Mindeststeuer-Berichts beim Bundeszentralamt für Steuern (§§ 72 f. MinStG-E) und einer Steuererklärung in der Form einer Steueranmeldung beim für ihn örtlich zuständigen Finanzamt (§§ 90 f. MinStG-E). Der Gruppenträger muss die eigene Stellung als solcher dem Bundeszentralamt für Steuern sowie dem zuständigen Finanzamt bis spätestens zum Ablauf des ersten Geschäftsjahres, für das die Steuerpflicht nach dem MinStG besteht, mitteilen. Im Regelfall dürfe das bis zum 31.12.2024 der Fall sein.
Zu beachten sind im Besteuerungsverfahren im Wesentlichen die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (AO), soweit keine abweichenden Regelungen im MinStG verankert sind. Für die Praxis vermutlich relevante Abweichungen stellt zum einen § 49 MinStG-E dar, der die Rechtsfolgen bei nachträglichen Anpassungen und Änderungen der erfassten Steuern regelt, und zum zweiten § 92 MinStG-E, welcher eine eigenständige Bußgeldvorschrift für die nicht ordnungsgemäße Abgabe des Mindeststeuer-Berichts vorsieht.
Der vergleichsweisen kurzfristigen Einführung der Mindestbesteuerung in Deutschland geschuldet, hat das BMF zur Abmilderung der Auswirkungen für betroffene Unternehmen und der Finanzverwaltung verschiedene Übergangsvorschriften vorgesehen.
So ist beispielsweise für Unternehmensgruppen mit untergeordneter internationaler Tätigkeit eine vollständige Steuerbefreiung für die ersten fünf Jahre geplant (§ 79 MinStG-E). Eine solche Unternehmensgruppe ist dann gegeben, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind:
- Die Unternehmensgruppe verfügt in nicht mehr als sechs Steuerjurisdiktionen über Geschäftseinheiten und
- der Gesamtwert der materiellen Vermögenswerte aller Geschäftseinheiten, die in allen Steuerhoheitsgebieten außer dem Referenzsteuerhoheitsgebiet belegen sind, übersteigt nicht EUR 50 Mio.
Das Referenzsteuerhoheitsgebiet einer Unternehmensgruppe ist dabei das Steuerhoheitsgebiet, in dem die Unternehmensgruppe für das Geschäftsjahr, in dem sie erstmals in den Anwendungsbereich des MinStG fällt, den höchsten Gesamtwert an materiellen Vermögenswerten ausweist.
Daneben enthält der BMF-Entwurf die im Rahmen der Verhandlungen des Inclusive Framework on BEPS abgestimmte Vereinfachungen. Hierzu zählen vor allem der CbCR-Safe-Harbour (§§ 80–84 MinStG-E), welcher eine Steuerbefreiung unter bestimmten Voraussetzungen für alle Geschäftsjahre ermöglicht, die am oder vor dem 31.12.2026 beginnen und vor dem 01.07.2028 enden, die Safe-Harbour-Regelung für Steuerhoheitsgebiete mit anerkannter nationaler Ergänzungssteuer (§ 76 MinStG-E) sowie Vereinfachungen für unwesentliche Geschäftseinheiten (§ 77 MinStG-E).
3. Fazit
Das neue MinStG ist bereits in seiner Entstehungsgeschichte ungewöhnlich, da die Regelungen im Wesentlichen und entsprechend der Begründung des Gesetzesentwurfs ohne Alternative auf anderen Rechtsetzungsebenen determiniert worden sind. Das bedeutet zwar einerseits eine (vermutlich) einheitliche Anwendung in der EU, anderseits allerdings auch wenig Spielraum für notwendige gesetzgeberische Nachjustierungen, welche sich aus der Anwendung des Gesetzes in der Praxis zweifelsohne ergeben werden.
Kritisch ist das hohe Maß an Komplexität zu sehen. Auch wenn diese nicht durch das BMF hergestellt worden, sondern weitgehend bereits in den OECD-Mustervorschriften des Inclusive Framework on BEPS angelegt war, werden die erfassten Unternehmen den Mehraufwand schultern müssen. Ein Beispiel dafür sind die für die Ermittlung des Mindeststeuer-Gewinns vorgegebenen und in 25 Einzelparagrafen normieren Hinzurechnungen und Kürzungen. Da hilft es wenig, dass als Ausgangsbasis das oft verfügbare Jahresergebnis nach IFRS herangezogen werden kann.
Ergänzend kommt hinzu, dass das Besteuerungsverfahren inklusive Mindeststeuer-Bericht und Steueranmeldungen durch die erfassten Unternehmensgruppen unabhängig davon durchgeführt werden muss, ob am Ende eine tatsächliche zusätzliche Besteuerung durch eine der Besteuerungsregelungen der globalen Mindeststeuer Anwendung findet oder nicht.
Ob und inwieweit das MinStG die mit seiner Einführung verbundenen hohen (politischen) Erwartungen erfüllen kann, bleibt abzuwarten. Für betroffene Unternehmen bedeutet das neue Gesetz vor allem erheblichen Mehraufwand und zusätzliche Kosten. Da in vielen Bereichen des Referentenentwurfs der gesetzgeberische Spielraum begrenzt ist, sind größere Anpassungen im weiteren Gesetzgebungsverfahren unwahrscheinlich. Insgesamt ist zu befürchten, dass der bürokratische Aufwand im Zusammenhang mit der in Umsetzung befindlichen globalen Mindestbesteuerung die positiven Akzente der Steuer- und Wettbewerbsgerechtigkeit und das zu erwartende zusätzliche Steueraufkommen überschatten.