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Im Jahr 2015 hat die Finanzverwaltung mit der Änderung des Anwendungserlasses zu § 153 AO erstmals den Begriff “Tax Compliance” aufgegriffen und erwähnt. Der wesentliche Mehrwert der Implementierung eines Tax Compliance Management Systems (Tax CMS) steckt in der Abwehr steuerstrafrechtlicher Konsequenzen. Im Folgenden wird insbesondere ausgeführt, welche Neuerungen sich seit 2015 ergeben haben.

I. Einleitung

Die Einführung eines wirksamen Tax CMS hat eine wesentliche Bedeutung in seiner steuerstrafrechtlichen Dimension. Einem Steuerpflichtigen, der den Aufwand betreibt, ein wirksames Tax CMS zu etablieren und zu befolgen, wird schwerlich nachgewiesen werden können, vorsätzlich oder leichtfertig zu handeln.

II. Ausgestaltung eines Tax CMS

Die Finanzverwaltung hat sich erstmals mit dem BMF-Schreiben IV A 3 – S 0324/15/10001 / IV A 4 – 0324/14/10001 vom 23.05.2016 zum Tax CMS geäußert. Die Äußerungen haben in den Anwendungserlass zur AO (Abschnitt 2.6 Satz 6 AEAO) Eingang gefunden:

„Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, das gegen das Vorliegen eines Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dies nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls.“

Diese Auffassung der Finanzverwaltung gewinnt vor allem deshalb an Bedeutung, da sich in der Praxis beobachten lässt, dass Betriebsprüfer häufiger bei Hinweisen auf steuerstrafrechtlich relevante Sachverhalte, die Bußgeld- und Strafsachenstellen oder die Steuerfahndung einschalten.

Steuerpflichtige, die ein funktionsfähiges Tax CMS implementiert haben und befolgen, werden von Seiten der Finanzverwaltung mit einer positiveren Beurteilung rechnen können. Dies gilt insbesondere im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung, da die steuerliche Außenprüfung oftmals der Ausgangspunkt eines Steuerstrafverfahrens ist.

Zur Ausgestaltung eines funktionsfähigen Tax CMS äußert sich die Finanzverwaltung nicht. Es verbleibt dem Steuerpflichtigen selbst, wie er „sein“ Tax CMS aufbaut. Dem Steuerpflichtigen ist zu empfehlen, sich dabei an dem IDW Prüfungsstandard (PS) 980 zu orientieren. Das IDW hat Grundsätze zur Prüfung von Compliance Management Systemen aufgestellt. Der Prüfungsstandard wurde im September 2022 aktualisiert. Der Praxishinweis 1/2016 vom 31.5.2017 des IDW konkretisiert den IDW PS 980 auf den Aufbau und die Prüfung eines Tax CMS. Dieser Praxishinweis nimmt explizit auf Abschnitt 2.6 Satz 6 AEAO Bezug.

III. Neue Entwicklungen

Der überarbeitete IDW PS 980 widmet sich der von der Finanzverwaltung empfohlenen unabhängigen Überprüfung eines Tax CMS:

„Eine Prüfung der Wirksamkeit dieser Systeme durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer nach diesem IDW Prüfungsstandard kann dem objektivierten Nachweis der ermessenfehlerfreien Ausübung der Organisations- und Sorgfaltspflichten des Vorstands und des Aufsichtsrats dienen.“

Die Anerkennung eines Prüfungsurteils eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers durch die Finanzverwaltung kann nicht garantiert werden. Es bleibt allerdings die Empfehlung der Finanzverwaltung für eine Angemessenheitsüberprüfung. Die Finanzverwaltung wird einem nach IDW PS 980 testierten Tax CMS eine gewichtigere Bedeutung beimessen als einem untestierten.

An einer expliziten gesetzlichen Anforderung zur Einführung eines Tax CMS fehlt es derzeit noch. Aus unserer Sicht ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis eine solche Verpflichtung gesetzlich geregelt sein wird.

Das sogenannte DAC7-UmsG (Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.03.2021 zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts) hat u. a. die Vorschriften des Art. 97 § 38 EGAO erweitert. Die Vorschrift hat zwei wesentliche Inhalte:

  • Möglichkeit der Überprüfung der Wirksamkeit von Steuerkontrollsystemen des Steuerpflichtigen durch die Finanzverwaltung im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung, sowie
  • Zusage von Erleichterungen bei den Untersuchungen der Finanzverwaltung im Rahmen der nächsten Außenprüfung, abhängig vom Ergebnis einer solchen Überprüfung.

Art 97 § 38 EGAO:

„(1) Soweit im Rahmen einer Außenprüfung eines Steuerpflichtigen nach den §§ 193 bis 202 der AO die Wirksamkeit eines von ihm eingesetzten Steuerkontrollsystems hinsichtlich der erfassten Steuerarten oder Sachverhalte überprüft wurde und kein oder nur ein unbeachtliches steuerliches Risiko für die in §§ 149 Abs. 3 der AO genannten Steuern und gesonderten Feststellungen besteht, kann die Finanzbehörde im Benehmen mit dem Bundeszentralamt für Steuern dem Steuerpflichtigen auf Antrag unter dem Vorbehalt des Widerrufs für die nächste Außenprüfung nach § 193 Abs.1 der AO Beschränkungen von Art und Umfang der Ermittlungen unter der Voraussetzung verbindlich zusagen, dass keine Änderungen der Verhältnisse eintreten. Der Steuerpflichtige hat Veränderungen des Kontrollsystems zu dokumentieren und sie der Finanzbehörde unverzüglich schriftlich oder elektronisch mitzuteilen.

(2) Ein Steuerkontrollsystem umfasst alle innerbetrieblichen Maßnahmen, die gewährleisten, dass

  1. die Besteuerungsgrundlagen zutreffend aufgezeichnet und berücksichtigt werden sowie
  2. die hierauf entfallenden Steuern fristgerecht und vollständig abgeführt werden.

Das Steuerkontrollsystem muss die steuerlichen Risiken laufend abbilden.

(3) Systemprüfungen von Steuerkontrollsystemen und daraufhin nach Abs. 1 S. 1 zugesagte Erleichterungen sind von den Landesfinanzbehörden bis zum 30.04.2029 zu evaluieren. Die obersten Finanzbehörden der Länder haben die Ergebnisse der Evaluierung dem Bundesministerium der Finanzen bis zum 30.06.2029 mitzuteilen.“

Wie in diesem Zusammenhang das Prüfungsurteil eines unabhängigen Wirtschaftsprüfers einzuordnen ist, bleibt von der Vorschrift unkommentiert.

Die Installation und Überprüfung eines Tax CMS fördert öfter Fehler aus der Vergangenheit hervor. Dem Steuerpflichtigen stellt sich dabei immer wieder die Frage, wie mit solchen Fehlern umzugehen ist. Dabei spielt die sogenannte Festsetzungsverjährung eine wesentliche Rolle. Die Festsetzungsverjährung beträgt vier Jahre; in Fällen von Steuerhinterziehung verlängert sich die Festsetzungsfrist auf 10 Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung auf 5 Jahre. Nur wenn noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, gilt die Verpflichtung zur Korrektur nach § 153 Abs. 1 S. 1 AO. Eine Korrekturmeldung nach § 153 AO sollte zudem die möglicherweise zusätzlichen Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige erfüllen, ansonsten besteht die Gefahr, dass keine strafmildernde Berücksichtigung möglich ist.

Mit dem DAC7-UmsG wurde im § 153 AO auch ein neuer Absatz 4 eingeführt. Danach besteht eine Anzeige- und Berichtigungspflicht auch dann, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuerbescheid, einem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO oder einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Abs. 1a AO umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führe.

Das Tax CMS sollte also vorsehen, dass Betriebsprüfungsergebnisse daraufhin überprüft werden, ob Auswirkungen auf Steuerarten außerhalb der Betriebsprüfung bestehen oder auf Steuerarten, die zwar Gegenstand der Betriebsprüfung waren, jedoch einen Zeitraum außerhalb des Prüfungszeitraums umfassen, gegeben sind.

IV. Schlussfolgerung

Die Bedeutung eines Tax CMS insbesondere im Rahmen steuerlicher Außenprüfungen ist nicht mehr zu negieren. Steuerpflichtige mit einem Tax CMS werden von der Finanzverwaltung deutlich positiver beurteilt werden als Steuerpflichtige ohne Tax CMS. Auch die Überprüfung und Testierung eines Tax CMS durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer wird an Gewicht gewinnen.

Art. 97 § 38 EGAO widmet sich expressis verbis dem Steuerkontrollsystem und ermöglicht seine Überprüfung durch die Finanzverwaltung und die Einräumung von Erleichterungen bei einer künftigen Betriebsprüfung nach erfolgreicher Beurteilung durch die Finanzverwaltung.

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